Fische können die Wassertiefe anhand der Druckverhältnisse bestimmen

Woher wissen Fische, wie tief sie gerade schwimmen? Den Ergebnissen einer aktuellen Studie zufolge setzen sie dabei auf den Wasserdruck – ganz ähnlich wie die von Menschen beim Tauchen verwendeten Tiefenmesser.

von Niklas Kästner

Fische haben offenbar ein gutes Gespür dafür, wie tief sie gerade schwimmen.
Fische haben offenbar ein gutes Gespür dafür, wie tief sie gerade schwimmen (Foto: Alexander Vasilchikov via Unsplash)

Wenn wir den Weg zu einem Ziel finden wollen, unterscheiden wir im Wesentlichen vier Richtungen: Wir können uns nach vorne bewegen oder nach hinten, nach rechts oder nach links. Für Fische hingegen kommen mit „nach oben“ und „nach unten“ zwei weitere Richtungen hinzu. Doch woher wissen die Tiere, in welcher Wassertiefe sie sich gerade befinden? Die Ergebnisse einer aktuellen Studie lassen darauf schließen, dass sie sich dabei unter anderem auf die vorherrschenden Druckverhältnisse verlassen.

Ein blickdichtes Aquarium

Im Rahmen der Studie führten die Forschenden Victoria Davis, Robert Holboock und Theresa Burt de Perera ein geschicktes Experiment mit Süßwasserfischen der Art Astyanax mexicanus durch. Dabei befestigten sie an der Seite eines 90 cm hohen Aquariums wiederholt in jeweils derselben Wassertiefe eine Futterflocke, die sich die Fische schnappen konnten. Oberhalb und unterhalb davon platzierten sie weitere Futterflocken, die allerdings nicht zugänglich waren. Im Verlauf mehrerer Durchgänge beobachteten sie, ob die Fische mit der Zeit direkt auf die erreichbare Belohnung zu schwammen.

Dabei verhinderte das Team durch mehrere Maßnahmen, dass die Tiere sich an optischen Hinweisen orientieren konnten: Zum einen besaß das Aquarium blickdichte Scheiben, sodass die äußere Umgebung den Fischen keine Anhaltspunkte bot. Darüber hinaus befand sich oben und unten im Aquarium je eine undurchsichtige Platte, deren Höhe das Team zwischen den einzelnen Durchgängen verstellte. So gab auch der Abstand zum Boden bzw. zur Wasseroberfläche keinen Aufschluss über die Position der zugänglichen Futterbelohnung. Letztlich variierten die Forschenden auch die Anordnung der unerreichbaren Belohnungen, sodass ein „Abzählen“ den Tieren ebenfalls nicht weiterhalf.

Erfolgreiche Fische

Trotz dieser Maßnahmen steuerten zehn von dreißig Fischen die zugängliche Belohnung nach einigen Durchgängen zielsicher an – unabhängig davon, in welcher Höhe die Forschenden sie in das Testaquarium entließen. Wie gelang ihnen das?

Je tiefer im Wasser sich ein Objekt oder Organismus befindet, desto höher ist die Wassersäule, die sich über ihm befindet, und desto größer der sogenannte hydrostatische Druck. Auf diesem Zusammenhang basieren die Tiefenmesser, die wir Menschen beim Tauchen einsetzen: Sie messen den Druck und übersetzen ihn in die entsprechende Wassertiefe. Die Forschenden vermuteten, dass die Fische ihre vertikale Position im Wasser nach einem ganz ähnlichen Prinzip bestimmten. Ob das tatsächlich zutraf, überprüften sie in einem zweiten Teil des Experiments.

Bedeutung der Druckverhältnisse

Die Forschenden setzten die zehn Fische, die zuvor zuverlässig zur Belohnung geschwommen waren, erneut ins Aquarium. Vorher gaben sie allerdings bei einem Teil von ihnen Wasser hinzu und ließen beim anderen Teil Wasser ab. Entsprechend veränderte sich der hydrostatische Druck an der Position, an der sich in den vorherigen Durchgängen die erreichbare Futterbelohnung befunden hatte: Im ersten Fall war er höher als zuvor, im zweiten Fall niedriger.

Tatsächlich zeigte sich: Hatten die Forschenden Wasser ins Aquarium hinzugegeben, suchten die Fische zu hoch nach der Belohnung – hatten sie Wasser abgelassen, zu tief. Dabei steuerten sie meist exakt die Position an, an der nun der Wasserdruck herrschte, der ihnen bis dahin Erfolg gebracht hatte.

Fazit

Die Ergebnisse des Experiments lassen den Schluss zu, dass Fische ihre vertikale Position im Wasser anhand des hydrostatischen Drucks beeindruckend exakt bestimmen können. In zukünftigen Untersuchungen gilt es zu entschlüsseln, welcher physiologische Mechanismus ihnen das ermöglicht. Spannend ist auch die Frage, wie verbreitet diese Fähigkeit unter den verschiedenen Fischarten ist. Denn je nach Lebensweise dürfte ein natürlicher Tiefenmesser für die Tiere mehr oder weniger wichtig sein.


Zur Fach-Publikation:
Davis, V. A.; Holbrook, R. J. & Burt de Perera, T. (2021): Fish can use hydrostatic pressure to determine their absolute depth. Communications Biology 4: 1208.

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