Zerr- oder Wurfspielzeug? Hunde kategorisieren Objekte nach ihrer Funktion

Hunde verstehen, dass sich ein Wort auf verschiedene Gegenstände mit derselben Funktion beziehen kann: In einer aktuellen Studie gelang es ihnen, neue Objekte den Begriffen „Zerren“ oder „Werfen“ zuzuordnen – abhängig davon, wie sie zuvor damit gespielt hatten.

von Niklas Kästner

Für die Studie rekrutierten die Forschenden acht Border Collies, einen Australian Cattle Dog, einen Labrador Retriever und einen Welsh Corgi Pembroke; einer der Hunde schied jedoch aus, weil er nicht ausreichend für Zerrspiele zu begeistern war (Foto: Anna Dudkova via Unsplash)

Unsere Sprache enthält viele Begriffe, die eine ganze Kategorie von Gegenständen mit derselben Funktion bezeichnen. Nehmen wir zum Beispiel das Wort „Trinkgefäß“: Wir verwenden es für Objekte, mit deren Hilfe wir Flüssigkeiten zu uns nehmen – ganz gleich, ob es sich dabei um eine Porzellantasse, einen Plastikbecher oder ein Weinglas handelt. Eine Vase wiederum mag ähnlich aussehen wie eine Tasse oder ein Glas; trotzdem handelt es sich bei ihr nicht um ein Trinkgefäß, weil sie eine andere Funktion erfüllt.

In einer aktuellen Studie wollten die Forschenden Claudia Fugazza, Andrea Sommese und Ádam Miklosi herausfinden, ob auch Hunde in der Lage sind, Objekte anhand solcher Begriffe in funktionale Kategorien einzuordnen. Dazu arbeiteten sie mit verschiedenen Hundehalterinnen und -haltern und ihren Tieren zusammen. Bei Letzteren handelte es sich ausnahmslos um Hunde, die bereits dafür bekannt waren, dass sie besonders leicht neue Wörter lernen – sogenannte „Gifted Word Learner“.

„Zerren“ oder „Werfen“

Zunächst bekamen die Halterinnen und Halter den Auftrag, mit insgesamt acht unterschiedlichen Spielzeugen mit ihren Hunden zu spielen. Mit vier Objekten machten sie ausschließlich Zerrspiele, mit vier anderen Objekten ausschließlich Wurfspiele – wobei sich nicht durch das Aussehen oder die Beschaffenheit der Spielzeuge auf die Spielweise zurückschließen ließ. Während des Spiels sprachen die Personen immer wieder mit ihren Tieren und wiederholten dabei regelmäßig einen von zwei Begriffen: Während der Zerrspiele sagten sie „Zerren“ und während der Wurfspiele „Werfen“.

Nach einigen Wochen erfolgte ein erster Test: Die Personen legten alle acht Objekte gemeinsam mit anderen Spielzeugen in einen Nebenraum. Dann forderten sie ihren Hund auf: „Bring mir Zerren!“ oder „Bring mir Werfen!“ Und tatsächlich brachten acht von zehn Hunden in einem Großteil der Durchgänge ein passendes Objekt – also je nach Aufforderung ein Spielzeug, mit dem sie zuvor nur Zerrspiele gemacht hatten, oder eines, mit dem sie nur Wurfspiele gemacht hatten.

Neue Spielzeuge, neue Bedingungen

Dieses Ergebnis ist für sich genommen zwar schon beeindruckend. Es lässt allerdings noch nicht darauf schließen, ob die Hunde die Begriffe „Zerren“ und „Werfen“ als Bezeichnung für unterschiedliche Spielzeug-Typen verstanden hatten – oder ob sie die Wörter lediglich mit den konkreten acht Objekten verknüpften, mit denen sie zuvor gespielt hatten. In einem nächsten Schritt wollten die Forschenden daher wissen: Sind die Hunde auch in der Lage, Gegenstände in die Kategorien „Zerren“ oder „Werfen“ einzuordnen, ohne dass sie einen der Begriffe hörten, während sie damit spielen?

Dafür bekamen die Halterinnen und Halter den Auftrag, vier Wochen lang mit ganz neuen Spielzeugen mit ihren Tieren zu spielen. Jede Woche lernten die Hunde ein neues Objektpaar kennen: Mit dem einen wurden nur Zerrspiele gemacht, mit dem anderen nur Wurfspiele. Entscheidend dabei: Diesmal erwähnten die Personen die Begriffe „Zerren“ oder „Werfen“ während des Spielens nicht.

Am Ende jeder Woche erfolgte wieder ein Test. Dazu wurden die zwei jeweils neuen Gegenstände gemeinsam mit anderen Spielzeugen in einen Nebenraum gelegt und die Hunde aufgefordert: „Bring mir Werfen!“ oder „Bring mir Ziehen!“. Und obwohl die Tiere die Begriffe nie in Zusammenhang mit den neuen Objekten gehört hatten, brachten sie überdurchschnittlich häufig den passenden Gegenstand – also entweder das neue Zerrspielzeug oder das neue Wurfspielzeug.

Fazit

Das Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass manche Hunde offenbar ein gewisses Verständnis für funktionale Kategorien haben. Den Tieren gelang es, neue Objekte allein aufgrund ihrer Spielerfahrung den Wörtern „Zerren“ oder „Werfen“ zuzuordnen. Sie hatten demzufolge also gelernt, dass die Begriffe ganz allgemein für Spielzeuge stehen, mit denen man Zerr- bzw. Wurfspiele macht. Und bemerkenswerterweise gelang ihnen dies ganz nebenbei auf spielerische Weise im Alltag.

Allerdings gilt es zu bedenken, dass an der Studie eine recht exklusive Auswahl von Tieren teilnahm. Schließlich hatten diese zuvor bereits eine besondere Veranlagung für das Erlernen neuer Worte unter Beweis gestellt. Insofern lässt sich vorerst nicht sagen, ob grundsätzlich alle Hunde in der Lage sind, Objekte anhand ihrer Funktion zu klassifizieren – oder ob es sich möglicherweise um eine spezielle Fähigkeit außergewöhnlich begabter Individuen handelt.

Zur Fach-Publikation:
Fugazza, C.; Sommese, A. & Miklosi, Á. (2025): Dogs extend verbal labels for functional classification of objects. Current Biology.

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