„Ball“ bedeutet Ball: Hunde verstehen unsere Sprache besser als lange gedacht

Verstehen Hunde, dass Begriffe wie „Ball“ oder „Seil“ für bestimmte Objekte stehen – oder haben sie bloß gelernt, anhand des Klangs auf die Wörter zu reagieren? Verhaltensuntersuchungen und eine aktuelle neurowissenschaftliche Studie zeigen, dass tatsächlich Ersteres der Fall ist.

von Niklas Kästner

Manche Hunde kennen den Namen ihres Lieblingsspielzeugs – ob das auch für dieses Tier gilt, ist uns nicht bekannt (Foto: Stainless Images via Unsplash, zugeschnitten)

Hunde reagieren oft erstaunlich adäquat auf das, was wir sagen. Stellen wir uns einen Hund vor, der seine Bezugsperson das Wort „Ball“ sagen hört und sofort zum entsprechenden Spielzeug läuft. Es wirkt so, als würde der Hund verstehen, dass dieses Wort für einen bestimmten Gegenstand steht. Allerdings ließe sich sein Verhalten auch ganz anders erklären: So wäre es möglich, dass er lediglich durch Konditionierung gelernt hat, entsprechend auf den Klang des Wortes zu reagieren – zum Beispiel, weil dann in der Vergangenheit stets mit ihm gespielt wurde.

Tatsächlich hätte man letztere Erklärung bis vor einigen Jahren wohl auch noch für die richtige gehalten. Doch dann stellten Verhaltensuntersuchungen an zwei Border Collies namens „Rico“ und „Chaser“ diese Annahme in Frage.

Border Collie „Rico“: Vom Fernseh-Studio in die wissenschaftliche Fachzeitschrift

Im Jahr 1999 beeindruckte der Border Collie Rico in der Fernsehsendung „Wetten, dass..?“ durch eine erstaunliche Leistung: Er kannte die Namen von 77 unterschiedlichen Spielzeugen und brachte nach entsprechender Aufforderung den jeweils benannten Gegenstand. Ein Forschungsteam um Juliane Kaminski und Julia Fischer untersuchte das Verhalten des begabten Hundes daraufhin genauer und berichtete darüber 2004 im renommierten Wissenschaftsmagazin „Science“.

Die Versuche des Teams belegten, dass Rico seine Spielzeuge tatsächlich treffsicher den jeweiligen Bezeichnungen zuordnen konnte – zu diesem Zeitpunkt kannte er bereits über 200 Namen. Besonders erstaunlich war, dass er sogar im Ausschlussverfahren neue Wörter lernen konnte. Das zeigte sich, als die Forschenden acht Spielzeuge in einem Nebenraum platzierten, von denen Rico ein einzelnes – beispielsweise ein Frosch-Stofftier – nicht kannte. Wurde er nun aufgefordert, den „Frosch“ zu holen, wählte er tatsächlich den korrekten Gegenstand. Und nicht nur das: Er war sogar in der Lage, sich diese Bezeichnung zu merken und sie auch zukünftig dem entsprechenden Objekt zuzuordnen.

Border Collie „Chaser“: Ein Repertoire von über tausend Wörtern

Sieben Jahre später veröffentlichten die Forschenden John Pilley und Alliston Reid eine Studie über das Verhalten der Border-Collie-Hündin „Chaser“, die sogar noch mehr Objekte anhand ihrer Namen identifizieren konnte: Ihr Repertoire umfasste insgesamt 1.022 Wörter. Doch das war längst nicht alles: Chaser konnte sogar unterschiedliche Verhaltensweisen mit der Bezeichnung der Gegenstände verknüpfen. Auf die Aufforderung „Nimm Lamm“ nahm sie beispielsweise das Stofflamm ins Maul, auf die Aufforderung „Nase Lippen“ stupste sie die Stofflippen an und auf die Aufforderung „Pfote ABC“ berührte sie das Stoff-ABC mit ihrer Pfote. Da die Aufforderungen zuvor niemals mit diesen Gegenständen verknüpft worden waren, konnte dabei eine simple Konditionierung als Erklärung ausgeschlossen werden.  

Der erste neurowissenschaftliche Beleg für das Wortverständnis

Die beeindruckenden Leistungen von Rico und Chaser legen nahe, dass Hunde tatsächlich verstehen, dass manche Wörter sich auf bestimmte Objekte beziehen. In einer aktuellen Studie haben Forschende um Marianna Boros und Attila Andics diese Fähigkeit nun erstmals mit neurowissenschaftlichen Methoden untersucht. Dabei wählten sie ein Verfahren, das so ähnlich bereits bei Versuchen mit Kleinkindern eingesetzt wurde.

Im Rahmen des Experiments zeigten Bezugspersonen ihren Hunden bestimmte vertraute Gegenstände. Kurz davor wurde jeweils eine Tonaufnahme eingespielt, in der die entsprechende Person entweder das gezeigte Objekt oder ein anderes benannte. Es erklang also beispielsweise der Satz „Schau mal, der Ball!“ und direkt danach hielt die Person entweder den Ball oder ein anderes Spielzeug hoch. Damit sie den Hund nicht durch ihr Verhalten beeinflusste, trug sie dabei schalldichte Kopfhörer – sie wusste also nicht, welche Aufnahme gerade abgespielt worden war.

Während der Versuche waren die Hunde an ein EEG-Gerät angeschlossen, das über am Kopf angebrachte Elektroden die elektrische Aktivität in ihrem Gehirn erfasste. Die Auswertung der Daten von insgesamt 18 Tieren zeigte: Wenn das abgespielte Wort nicht zum gezeigten Gegenstand passte, war die Hirnaktivität der Hunde anders, als wenn Wort und Gegenstand übereinstimmten. Und dieser Unterschied zeigte sich insbesondere dann, wenn den Tieren die genannte Bezeichnung gut vertraut war. Das lässt darauf schließen, dass die Hunde tatsächlich eine Vorstellung hatten, auf welche Objekte sich die bekannten Wörter bezogen.

Einer der Studienteilnehmer mit angebrachten EEG-Elektroden (Fotos: Grzegorz Eliasiewicz, zugeschnitten)

Fazit

Die verhaltensbiologischen Untersuchungen an den Border Collies Rico und Chaser wiesen bereits darauf hin, dass Hunde objektbezogene Wörter verstehen. Die aktuelle EEG-Studie bestätigt dieses Ergebnis nun erstmals auch mit neurowissenschaftlichen Methoden. Dabei zeigt sie außerdem, dass sich diese Fähigkeit offenbar keineswegs auf so begabte Wort-Lerner wie Rico und Chaser beschränkt: Die 18 untersuchten Hunde gehörten verschiedenen Rassen an und unterschieden sich erheblich im Umfang ihres Wort-Repertoires – doch diese Aspekte hatten keinerlei Einfluss auf ihre Reaktion im Rahmen des Experiments.  


Zu den Fach-Publikationen:
Boros, M.; Magyari, L.; Morvai, B.; Hernández-Pérez, R.; Dror, S. & Andics, A. (2024): Neural evidence for referential understanding of object words in dogs. Current Biology.

Pilley, J. W. & Reid, A. K. (2011): Border collie comprehends object names as verbal referents. Behavioural Processes 86.

Kaminski, J.; Call, J.; Fischer, J. (2004): Word learning in a domestic dog: Evidence for “Fast mapping”. Science 304, 5677.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert