Eine aktuelle Studie zeigt: Fuchskolibris lernen rasch, die größere von zwei Blüten für eine begehrte Belohnung anzusteuern. Dabei prägen sie sich offenbar nicht die tatsächlichen Ausmaße der Nahrungsquellen ein, sondern orientieren sich an deren Größenverhältnis.
Größenangaben können exakt sein, sie können sich aber auch auf ein Verhältnis beziehen. Die Aussage „dieser Apfel ist größer als der, den ich gestern gegessen habe“ beschreibt keine konkrete Eigenschaft des Obststücks, sondern seine Größe im Vergleich zu einem anderen Exemplar.
Solche relativen Größenangaben sind im Alltag praktisch: Man kann sich beispielsweise merken, dass der kleinste Schlüssel der für den Briefkasten ist – ohne, dass man sich um seine genauen Ausmaße Gedanken machen muss. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie legen nahe, dass sich Kolibris bei der Nahrungssuche auf ganz ähnliche Regeln verlassen.
Zuckerlösung für Fuchskolibris
Im Rahmen der Untersuchung stellten Forschende um Theo Brown und Maria Tello-Ramos wildlebenden Fuchskolibris (Selasphorus rufus) wiederholt zwei künstliche Blüten zur Verfügung, die sich ausschließlich in ihrer Größe unterschieden. Die kleinere enthielt eine 5-prozentige Zuckerlösung, die größere eine 25-prozentige. Die Vögel lernten im Verlauf dieser Trainingsphase rasch, zuerst die Blüte mit der höherkonzentrierten und entsprechend begehrteren Belohnung anzusteuern.
Anschließend präsentierten die Forschenden den Kolibris eine neue Kombination aus Blüten: diejenige, die zuvor die größere gewesen war, und eine noch größere Blüte. Wie würden die Vögel reagieren? Würden sie sich an den exakten Ausmaßen der Nahrungsquellen orientieren und die Blüte ansteuern, bei der sie zuvor die begehrtere Belohnung erhalten hatten? Oder würden sie eher auf das Verhältnis der Blüten zueinander achten? Tatsächlich war Letzteres der Fall: Die Vögel entschieden sich überwiegend gegen die Blüte, die zuvor die begehrtere Belohnung enthalten hatte – und bevorzugten stattdessen die noch größere Blüte.
Altes Spiel, neue Regeln
Dieses Ergebnis für sich genommen ließe sich auch dadurch erklären, dass Kolibris grundsätzlich größere Blüten bevorzugen, wenn sie die Wahl haben. Doch die Forschenden führten den Versuch auch so durch, dass sich die begehrtere Belohnung während der Trainingsphase in der kleineren Blüte befand. Ließen sie die Kolibris anschließend zwischen der größeren Blüte aus dem Training und einer noch größeren Blüte wählen, entschieden sich die Vögel überwiegend für die in dieser Kombination kleinere – und das, obwohl sie während des Trainings die weniger begehrte Belohnung enthalten hatte.
Fazit
Der Ausgang der Studie legt nahe, dass Fuchskolibris stärker auf das Größenverhältnis zwischen Blüten als auf deren tatsächlichen Ausmaße achten, und dass sie auf dieser Grundlage lernen können, bei welchen von ihnen sich ein Besuch besonders lohnt. Die Forschenden vermuten, dass sich solche „Daumenregeln“ für die Vögel bei der Nahrungssuche auszahlen. Denn Kolibris haben insbesondere im Schwirrflug eine rasante Stoffwechselrate – und keine Energie zu verschwenden.
Zur Fach-Publikation:
Brown, T.; Hurly, T. A.; Healy, S. D. & Tello-Ramos, M. C. (2022): Size is relative: use of relational concepts by wild hummingbirds. Proceedings of the Royal Society B 289.
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