„Das rationale Tier“: Von Werkzeuggebrauch bis Selbstbewusstsein

Was wissen wir über das Denken von Tieren? In seinem Sachbuch „Das rationale Tier“ begibt sich der Biologe Ludwig Huber auf Spurensuche – und liefert eine beeindruckende Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den geistigen Fähigkeiten unserer tierischen Verwandten. 

von Niklas Kästner

Ein Affe betrachtet sich im Spiegel
Was geht wohl in diesem Affen vor? (Foto: Andre Mouton via Unsplash, zugeschnitten)

Was lässt sich heute darüber sagen, wie Tiere die Welt sehen? Haben sie eine Vorstellung davon, wer sie sind? Können sie sich in andere hineinversetzen? Es sind Fragen wie diese, mit denen sich Ludwig Huber in seinem Buch „Das rationale Tier“ auseinandersetzt. Obwohl unser Wissen über die kognitiven Fähigkeiten von Tieren in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen ist, gibt es auf manche von ihnen bis heute keine eindeutigen Antworten – doch eine stetig wachsende Zahl an wissenschaftlichen Studien liefert zumindest überzeugende Hinweise.

Ein „Sextett tierischer Intelligenz“

Auf seiner Suche nach der tierischen Rationalität befasst sich Huber intensiv mit kognitiven Fähigkeiten  aus unterschiedlichen Bereichen, die er als „Sextett tierischer Intelligenz“ bezeichnet: Die Fähigkeit, flexibel Werkzeuge einzusetzen bzw. herzustellen; die Fähigkeit, Kausalzusammenhänge zu verstehen; die Fähigkeit, vorausschauend zu handeln; die Fähigkeit, sich zu erinnern, wann und wo man etwas Bestimmtes erlebt hat; die Fähigkeit, zu wissen, was man selbst weiß und was nicht; und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Darüber hinaus geht er auf zwei weitere Themen ein, die mit der Frage nach der tierischen Rationalität in Verbindung stehen: Sprache und Bewusstsein.

Jeden dieser Aspekte behandelt Huber umfassend in einem eigenen Kapitel. Die Lesenden erfahren von Saatkrähen, die Drahtstücke verbiegen und damit Leckerbissen aus einem schmalen Gefäß angeln, von Kapuzineraffen, die bei der Wahl eines „Hammers“ die Härte der Nuss berücksichtigen, die sie knacken wollen, und von Schimpansen, die eine Markierung an ihrem Kopf berühren, die sie nur im Spiegel sehen können. Dabei fasst Huber nicht bloß die spektakulärsten Forschungsergebnisse zusammen, sondern gibt einen sorgfältigen Überblick über eine Vielzahl relevanter Studien, bezieht Stellung zu ihrer Aussagekraft und ordnet sie sie in den theoretischen Rahmen ein.

Fazit

„Das rationale Tier“ ist eine meisterhafte Bestandsaufnahme der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum tierischen Denken. Auf fast 700 Seiten führt Huber die Lesenden durch ein komplexes Geflecht aus theoretischen Konzepten, ausgeklügelten Experimenten, faszinierenden Studienergebnissen und deren oftmals nicht trivialer Interpretation. Dass dieser Weg mitunter recht anspruchsvoll ist, liegt in der Natur der Sache. Doch wer Huber darauf folgt, wird belohnt: Mit tiefen Einblicken in die kognitiven Fähigkeiten unserer nicht-menschlichen Verwandten – und in die Disziplin, die sich ihrer Erforschung widmet.  


Ludwig Huber: Das rationale Tier. Eine kognitionsbiologische Spurensuche.

Fester Einband mit Schutzumschlag; 671 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.

Preis: 34 €
ISBN 978-3-518-58771-3

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