Klügere Mausmakis leben länger

Verbessern ausgeprägte kognitive Leistungen die Überlebenschancen? Den Ergebnissen einer aktuellen Studie zufolge könnte das bei Grauen Mausmakis der Fall sein: Wildlebende Tiere, die besonders gut in entsprechenden Tests abschnitten, lebten länger als ihre Artgenossen.

von Niklas Kästner

Ein Grauer Mausmaki auf Madagaskar (Foto: Franziska Hübner, Deutsches Primatenzentrum)

Graue Mausmakis (Microcebus murinus) zählen mit rund 60 Gramm Körpergewicht zu den kleinsten Vertretern aus der Gruppe der Primaten. Die nachtaktiven Lemuren leben in Wäldern vor allem im Westen Madagaskars, wo sie sich unter anderem von Früchten und Insekten ernähren.

Vor Kurzem ergab eine Untersuchung, dass Mausmakis trotz ihrer vergleichsweise kleinen Gehirne eine überraschende kognitive Leistungsfähigkeit besitzen. Doch wie bei anderen Arten, gibt es dabei deutliche Unterschiede zwischen den Individuen. In einer aktuellen Studie sind die Forschenden Claudia Fichtel, Johanna Henke-von der Malsburg und Peter Kappeler der Frage nachgegangen, wie diese Unterschiede mit den Überlebenschancen der Tiere zusammenhängen.

Schiebedeckel und Obst an Schnüren: knifflige Aufgaben für Mausmakis

Das Team fing im Rahmen der Studie fast 200 wildlebende Graue Mausmakis ein und setzte sie für bis zu drei Nächte in ein Gehege. In dieser Zeit untersuchten die Forschenden verschiedene kognitive Fähigkeiten der Tiere. Dabei konnten die Mausmakis je nach Test auf einem bestimmten Weg ein Obststück ergattern: indem sie sich merkten, wo es in einem Labyrinth versteckt war (räumliches Gedächtnis), indem sie um eine durchsichtige Wand herum nach ihm griffen (Impulskontrolle), indem sie es an einer Schnur in ihre Reichweite zogen (Kausalverständnis) und indem sie Gefäße mit einem Schiebedeckel öffneten, um es erreichen zu können (Problemlösung).

Eine Szene aus der Studie: Ein Mausmaki angelt sich ein Obststück (Video: Fichtel et al. 2023, Lizenz: CC BY 4.0)

Bessere Leistung – längeres Leben

Anschließend entließen die Forschenden die Mausmakis in die Freiheit und verfolgten ihr weiteres Schicksal. Dabei stuften sie ein Tier als gestorben ein, wenn es länger als fünf Monate (konkret: 161 Tage) in keine Falle mehr tappte – ein Verfahren, das auf Erfahrungen aus 22 Jahren Mausmaki-Forschung in diesem Gebiet beruht. Es zeigte sich: Tiere, die bei den Kognitionstests besonders gut abgeschnitten hatten, starben im Durchschnitt später als ihre Artgenossen.

Fazit

Was lässt sich aus dem Ergebnis der Studie schließen? Auch wenn bei der Interpretation korrelativer Zusammenhänge grundsätzlich Vorsicht geboten ist: Die Daten deuten darauf hin, dass ausgeprägte kognitive Fähigkeiten die Überlebenschancen von Mausmakis verbessern. So wäre es beispielsweise möglich, dass sie es den Tieren erleichtern, Nahrung zu finden oder Fressfeinde zu entdecken. Inwieweit das tatsächlich zutrifft, lässt sich vielleicht schon bald genauer beurteilen – denn in zukünftigen Studien will das Team untersuchen, wie sich die kognitive Leistungsfähigkeit konkret auf das Leben der kleinen Primaten auswirkt.


Zur Fach-Publikation:
Fichtel, C.; Henke-von der Malsburg, J. & Kappeler, P. M. (2023): Cognitive performance is linked to fitness in a wild primate. Science Advances 9.

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