Dohlen-Demokratie: Lautstarke Absprache zum gemeinsamen Aufbruch

Dohlen verlassen ihre Schlafbäume oft in großen Gruppen. Einer aktuellen Studie zufolge stimmen sich die Vögel dafür vor dem gemeinsamen Start ab, indem jeder einzelne mit Rufen seine Bereitschaft zum Aufbruch signalisiert.

von Niklas Kästner

Im Winter häufig in großen Gruppen unterwegs: Dohlen (Foto: Wesley Whitfield via Unsplash, zugeschnitten)

Im Winter ruhen Dohlen (Corvus monedula) nachts in großen Gruppen, die mehrere tausend Tiere umfassen können. In den Morgenstunden verlassen dann oft etliche von ihnen nahezu gleichzeitig ihre Schlafbäume – fast so, als hätten sie sich abgesprochen. Und genau das ist einer aktuellen Studie zufolge tatsächlich der Fall.

Rufe vor dem Aufbruch

Im Rahmen der Untersuchung beobachteten Forschende um Alex Dibnah und Alex Thornton das morgendliche Verhalten von sechs unterschiedlichen Dohlengemeinschaften in Großbritannien. Dabei stellten sie ein besonderes Muster fest: Bereits einige Zeit vor dem Aufbruch begannen die Vögel zu rufen. Dabei stieg die Intensität stetig an – bis die Dohlen schließlich losflogen.

Demokratische Dohlen: Die Vögel intensivieren kontinuierlich ihre Rufe, bevor sie gemeinsam zum Abflug aufbrechen (Video: Dibnah et al. 2022, Current Biology)

Zusätzliche Rufe aus dem Lautsprecher

Das brachte das Forschungsteam auf eine Idee: Könnte es sein, dass die einzelnen Vögel anhand der Rufintensität in der Gemeinschaft entscheiden, wann sie aufbrechen? Um zu überprüfen, ob das tatsächlich der Fall ist (vgl. ETHOlexikon: Korrelation und Kausalität), führten die Forschenden ein Experiment durch: Sie spielten an manchen Tagen zusätzliche Dohlenrufe aus Lautsprechern ab, an anderen Tagen zur Kontrolle lediglich Windgeräusche. Das Ergebnis: An den Tagen, an denen das Team die Rufintensität in den Schlafbäumen künstlich verstärkt hatte, brachen die Vögel im Schnitt ganze sechseinhalb Minuten eher auf.

Fazit

Der Ausgang des Experiments lässt den Schluss zu, dass Dohlen tatsächlich von den Rufen ihrer Artgenossen abhängig machen, wann sie ihren Schlafbaum verlassen. Offenbar handelt es sich dabei um eine „demokratische“ Gruppenentscheidung: Die Forschenden nehmen an, dass jedes Tier durch seine Lautäußerungen seine eigene Bereitschaft zum Losfliegen signalisiert. Erreicht die Gesamtintensität in der Gemeinschaft schließlich einen bestimmten Schwellenwert, bedeutet das, es gibt genügend Aufbruchswillige – und die Vögel starten durch.


Zur Fach-Publikation:
Dibnah, A. J.; Herbert-Read, J. E.; Boogert, N. J.; McIvor, G. E.; Jolles, J. W. & Thornton, A. (2022): Vocally mediated consensus decisions govern mass departures from jackdaw roosts. Current Biology 32.

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