Wenn zwei Merkmale zusammenhängen, liegt die Vermutung nahe, dass eins das andere beeinflusst. Doch das muss nicht sein: Eine Korrelation kann auf verschiedenen Wegen zustande kommen – und meist erlauben erst gezielte Experimente einen sicheren Schluss auf Ursache und Wirkung.
Nehmen wir an, Forschende untersuchen aggressives Verhalten bei freilebenden Affen. Dazu beobachten sie die Tiere und sammeln außerdem deren Kot, um daraus Rückschlüsse auf ihren Hormonhaushalt zu ziehen. Bei der Analyse der Daten ergibt sich ein auffälliger Zusammenhang: Je höher die Konzentration eines bestimmten Hormons (bzw. seiner Abbauprodukte) im Kot der Affen ist, desto weniger Konflikte gibt es innerhalb der Gruppe.
Lässt die beobachtete Korrelation zwischen Hormonkonzentration und Verhalten den Schluss zu, dass zwischen den beiden Faktoren ein Kausalzusammenhang, also eine Ursache-Wirkung-Beziehung, besteht? Haben die Forschenden etwa ein „Harmonie-Hormon“ entdeckt?
Das könnte zwar sein. Wirklich beurteilen lässt sich das anhand einer solchen Beobachtung allerdings nicht.
Mögliche Gründe für eine Korrelation
Wenn zwei Merkmale zusammenhängen, dann kann das verschiedene Gründe haben. Drei davon sind:
1. Es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen den beiden Merkmalen: Merkmal A beeinflusst Merkmal B.
Auf die Affen bezogen hieße das: Das Hormon hemmt aggressives Verhalten. Je mehr die Tiere von dem Botenstoff ausschütten, desto friedlicher geht es in der Gruppe zu.
2. Es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen den beiden Merkmalen aber in entgegengesetzter Richtung: Merkmal B beeinflusst Merkmal A.
Auf die Affen bezogen hieße das: Harmonie in der Gruppe fördert die Ausschüttung des Hormons. Je friedlicher es in der Gruppe zugeht, desto höher sind die Konzentrationen des Botenstoffs im Körper der Tiere.
3. Es besteht kein Kausalzusammenhang zwischen den beiden Merkmalen: Es gibt einen zusätzlichen Faktor, der sowohl Merkmal A als auch Merkmal B beeinflusst.
Auf die Affen bezogen könnte das z.B. heißen: Im Lebensraum der Tiere wachsen bestimmte Früchte, die bei ihnen sehr begehrt sind. Das Hormon spielt bei deren Verdauung eine entscheidende Rolle. Die Verfügbarkeit der Früchte beeinflusst entsprechend die Ausschüttung des Botenstoffs: Je mehr Früchte reif sind, desto mehr davon fressen die Affen – und desto höher ist die Hormonkonzentration. Gleichzeitig beeinflusst die Verfügbarkeit der Früchte die Aggressivität der Affen: Je mehr Früchte reif sind, desto weniger streiten die Tiere darum, wer sie fressen darf – und desto friedlicher geht es in der Gruppe zu.
Vom beobachteten Zusammenhang zu Ursache und Wirkung
Von einer Korrelation zwischen zwei Merkmalen kann also nicht direkt auf einen zugrunde liegenden Kausalzusammenhang geschlossen werden. Dazu bedarf es in den meisten Fällen gezielter Versuche: Erst wenn man ein Merkmal experimentell variiert und ein anderes sich entsprechend verändert, kann man davon ausgehen, dass das erste das zweite (direkt oder über Zwischenschritte) beeinflusst.
Ob das Hormon im Affenbeispiel die Tiere tatsächlich friedlicher macht, ließe sich entsprechend folgendermaßen überprüfen: Die Forschenden verabreichen den Tieren unterschiedliche Mengen des Botenstoffs und beobachten ihr Sozialverhalten. Verhalten sich Affen nach einer höheren Dosis weniger streitlustig, ist der Schluss gerechtfertigt, dass das Hormon aggressives Verhalten hemmt. Lässt sich kein Zusammenhang zwischen der Dosis und dem Verhalten der Affen feststellen, spricht das gegen die „Harmonie-Hormon-Hypothese“ – und die Forschenden müssen eine andere Erklärung für den beobachteten Zusammenhang finden.
Fazit
Es ist eine schon lange bekannte Problematik, die viel zu häufig nicht beachtet wird: Eine Korrelation zwischen zwei Merkmalen bedeutet nicht zwingend, dass eins das andere beeinflusst. Erst durch sorgfältig geplante Untersuchungen lässt sich herausfinden, ob überhaupt ein Kausalzusammenhang zwischen den Merkmalen besteht – und falls ja, in welche Richtung.
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