Forschende brachten Schnecken in einer aktuellen Studie bei, Zucker zu verschmähen. Dabei gelang es ihnen auch, die neurobiologischen Grundlagen dieses Lernprozesses zu entschlüsseln: Ein zellulärer „Schalter“ im Nervensystem der Tiere reagierte anders auf das süße Mahl.
Spitzschlammschnecken (Lymnaea stagnalis) sind in Binnengewässern auf der gesamten Nordhalbkugel zu finden. In der Verhaltens- und Neurobiologie dienen sie seit vielen Jahren als sogenannter Modellorganismus für Lernprozesse. In einer aktuellen Studie brachte ein Forschungsteam die Schnecken dazu, Zucker zu verschmähen – und entschlüsselte den Mechanismus, der diesem Lernerfolg zugrunde liegt.
Der Lernprozess
Die Forschenden um Szolt Pirger und Ildikó Kemenes stellten Spitzschlammschnecken in einer mit Wasser gefüllten Schale Zucker zur Verfügung. Sobald die Tiere davon kosteten, berührten die Forschenden sie mehrfach am Kopf – worauhin die Schnecken den Rückzug antraten.
Diesen Ablauf wiederholten die Wissenschaftler*innen viermal im Abstand von jeweils einer Stunde. Als sie den Schnecken schließlich erneut den Zucker präsentierten, hatten diese offenbar gelernt, dass der Verzehr unangenehme Folgen hatte: Ihr Interesse daran war deutlich gesunken. Frisches Gurkenwasser hingegen verspiesen sie völlig unvoreingenommen – was zeigt, dass sie die Berührungen tatsächlich mit dem Zucker und nicht mit der Fresssituation an sich verknüpft hatten.
Der zugrunde liegende Mechanismus
Weitere Versuche enthüllten die neurobiologischen Grundlagen des Lernerfolgs der Schnecken. Im Nervensystem der Tiere gibt es Zellen, die wie ein Schalter ihr Fressverhalten kontrollieren. Anders als man vielleicht erwarten würde, sind diese Zellen aktiv, wenn die Schnecken gerade nicht fressen. Ihre Aufgabe: Sie hemmen kontinuierlich die Nervenzellen, die das Fressverhalten auslösen.
Nimmt eine Schnecke ohne schlechte Erfahrungen Zucker wahr, werden die „Schalterzellen“ gehemmt. Als Folge werden die Nervenzellen, die das Fressverhalten auslösen, aktiv – und die Schnecke beginnt mit der Nahrungsaufnahme. Bei den Schnecken, die für das Fressen der süßen Mahlzeit „bestraft“ worden waren, reagierten die Schalterzellen hingegen ganz anders: Sie waren nicht gehemmt, wenn die Tiere Zucker wahrnahmen, sondern sogar stärker aktiv – und blockierten entsprechend weiterhin das Fressverhalten.
Fazit
Der erlernte Zuckerverzicht der Spitzschlammschnecken ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass auch Tiere mit vergleichsweise einfachen Nervensystemen ihre angeborenen Verhaltensweisen aufgrund von Erfahrungen verändern können. Darüber hinaus gibt die Studie einen faszinierenden Einblick in die neurobiologischen Vorgänge, die solchen Lernprozessen zugrunde liegen können.
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