Trickreiche Käfer: Totengräber manipulieren den Geruch von Kadavern – und halten so die Konkurrenz auf Abstand

Totengräber nutzen für die Aufzucht ihrer Larven die Kadaver kleiner Wirbeltiere. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Käfer bei der Bearbeitung des Aases dessen Geruch verändern – und dadurch konkurrierende Artgenossen und Schmeißfliegen fernhalten.

von Niklas Kästner

Ein Totengräber-Weibchen
Ein weiblicher Totengräber füttert seine Larven (Foto: Stephen Trumbo, zugeschnitten)

Totengräber nutzen für die Aufzucht ihrer Larven die Kadaver kleiner Wirbeltiere. Bei der nordamerikanischen Art Nicrophorus orbicollis beansprucht jeweils ein Paar einen Kadaver für sich und beide Geschlechter kümmern sich um die Nachkommen. Allerdings sind tote Tiere als Brutstätte begehrt – nicht nur bei anderen Totengräbern, sondern auch bei Schmeißfliegen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Käfereltern sich mit einem faszinierenden Trick ihre Konkurrenz vom Leib halten: Sie manipulieren den Geruch des Kadavers.

Totengräber verändern den Geruch von Kadavern

Totengräber finden Kadaver mit Hilfe von bestimmten Geruchsstoffen, die durch die Aktivität von Mikroorganismen entstehen. Haben fortpflanzungsfähige Käfer einen Kadaver entdeckt, befreien sie ihn von Federn oder Fell, formen ihn zu einer Kugel und vergraben ihn im Boden. Die Weibchen legen anschließend in unmittelbarer Nähe ihre Eier ab.

Das für die Studie verantwortliche Forschungsteam um Stephen Trumbo und Sandra Steiger untersuchte in einem ersten Experiment, ob sich der Geruch eines toten Tiers durch die „Zubereitung“ der Totengräber verändert. Dazu analysierten sie die flüchtigen Stoffe von 27 Mäusekadavern, von denen knapp die Hälfte für drei Tage von jeweils einem Totengräberpaar bearbeitet wurde, während die restlichen unberührt blieben.

Das Ergebnis: Die Geruchsstoffe der von den Totengräbern für die Larvenaufzucht vorbereiteten Kadaver unterschieden sich deutlich von denen ohne Käferkontakt. Bei ersteren war die Konzentration eines Stoffs verringert, der Totengräber anzieht (Methylthiocyanat). Gleichzeitig war die Konzentration eines Stoffs erhöht, der Totengräber abstößt (Dimethyltrisulfid). Letzterer entsteht normalerweise erst bei fortgeschrittener Verwesung und vor allem durch die Aktivität von Fliegenmaden – also in Kadavern, die für die Käferlarven-Aufzucht unbrauchbar sind.

Von Totengräberpaaren bearbeitete Kadaver werden seltener von Konkurrenten angesteuert

In einem nächsten Schritt überprüften die Wissenschaftler*innen, ob der veränderte Geruch tatsächlich die Käferkonkurrenz fernhält. Dazu vergruben sie insgesamt 48 Mäusekadaver in ihrem Studiengebiet. Die Hälfte war für drei Tage von Totengräberpaaren bearbeitet worden, die andere Hälfte war von Käfern unberührt.

Das Ergebnis: Von den bearbeiteten Kadavern blieben 73 Prozent von Käfern gänzlich unentdeckt – bei den unberührten waren es dagegen nur 11 Prozent. Außerdem lockten die Kadaver ohne vorherigen Käferkontakt dreimal mehr Totengräber an.

Ein ähnliches Experiment zeigte, dass der veränderte Geruch auch Schmeißfliegen auf Abstand hielt. In diesem Fall waren die Mäusekadaver nur tagsüber zugänglich – denn dann sind zwar die Schmeißfliegen aktiv, aber nicht die Totengräber. Nach zwei Tagen entfernte das Team die Fliegenlarven und überprüfte, wie viel von den Kadavern noch übrig war. Wieder ergab sich ein deutlicher Effekt der Geruchsveränderung durch die Totengräber: Von den unberührten Kadavern war ein erheblich größerer Anteil von Larven gefressen worden als von den bearbeiteten.

Die Geruchsveränderung ist spezifisch für werdende Totengräbereltern

In einem letzten Experiment untersuchten die Forscher*innen, ob es sich bei der Geruchsveränderung um ein spezifisches Phänomen während der Fortpflanzung handelt – oder ob der veränderte Geruch generell entsteht, wenn Totengräber an einem Kadaver fressen. Dazu vergruben sie wiederum 48 Kadaver im Freiland. Diesmal waren alle zuvor für drei Tage mit einem männlichen und einem weiblichen Totengräber besetzt. Allerdings handelte es sich nur bei der Hälfte um fortpflanzungsfähige Paare. Die restlichen Käfer waren gerade erst aus der Puppe geschlüpft – und nutzten das Aas nur zur Ernährung.

Das Ergebnis spricht klar dafür, dass die Manipulation des Geruchs mit der Kadavervorbereitung werdender Totengräbereltern zusammenhängt: Von den bearbeiteten Kadavern blieben 87 Prozent unentdeckt – bei den zuvor mit Jungkäfern besetzten waren es nur 8 %. Zudem lockten letztere deutlich mehr Käfer an.

Fazit

Die Studie zeigt, dass Totengräberpaare bei der Vorbereitung eines Kadavers für die Larvenaufzucht dessen Geruch manipulieren und dadurch sowohl andere Totengräber als auch Schmeißfliegen von der begehrten Brutstätte fernhalten. Doch wie genau gelingt ihnen das?

Die Geruchsstoffe entstehen durch die Aktivität verschiedener Mikroorganismen. Bekannt ist bereits, dass Totengräber die Gemeinschaft der Kleinstlebewesen durch die Bearbeitung des Kadavers beeinflussen. Vermutlich entsteht auf diesem Weg auch der veränderte Geruch. Wie genau das geschieht, lässt sich vorerst zwar nicht beantworten – es ist aber ein spannender Ausgangspunkt für zukünftige Untersuchungen.


Zur Fach-Publikation:
Trumbo, S. T.; Philbrick, P. K. B.; Stökl, J. & Steiger, S. (2021): Burying beetle parents adaptively manipulate information broadcast from a microbial community. The American Naturalist 197.

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