Spielende Insekten? Beschäftigung mit Kugeln hat für Hummeln Belohnungscharakter

Immer wieder klettern Hummeln ohne erkennbaren Anlass auf Holzkugeln und rollen sie umher. Was steckt hinter diesem Phänomen? Den Ergebnissen einer aktuellen Studie zufolge könnte es sich dabei um Spielverhalten handeln.

von Niklas Kästner

Eine Hummel beim Rollen einer Holzkugel (Foto: Richard Rickitt)

Als Forschende vor einiger Zeit Erdhummeln (Bombus terrestris) darauf trainierten, kleine Kugeln zu einem bestimmten Ort zu rollen, machten sie eine verblüffende Beobachtung: Die Tiere beschäftigten sich auch dann mit den Objekten, wenn sie dafür nicht mit Nahrung belohnt wurden. Das brachte das Team auf eine Idee: Könnte es sein, dass die Insekten mit den Kugeln spielten? Dieser Frage sind Samadi Galpayage und Lars Chittka gemeinsam mit weiteren Forschenden in einer aktuellen Studie auf den Grund gegangen.

Hummeln rollen Kugeln ohne äußeren Anreiz

In einem ersten Experiment konnten Hummeln aus ihrer Nestbox heraus über einen Gang durch eine Kammer einen Bereich mit Zuckerlösung und Pollen erreichen. Rechts und links vom Gang befanden sich mehrere Holzkugeln. Auf der einen Seite waren diese am Boden befestigt, auf der anderen Seite frei beweglich. Obwohl die Hummeln auf direktem Weg zu den Nahrungsquellen gelangen konnten, suchten sie häufig die Bereiche mit den Kugeln auf, und nach der ersten Erfahrung mit den beweglichen Objekten präferierten sie diese Seite deutlich. Immer wieder kletterten die Hummeln dort auf die Kugeln und rollten sie umher, in der Spitze bis zu 30 Sekunden am Stück – ohne, dass sie je dafür belohnt wurden.

Das Kugelrollen im Video mit reduzierter Geschwindigkeit (Video: Samadi Galpayage)

Kugelrollen hat für Hummeln Belohnungscharakter

Ein weiteres Experiment lässt sogar darauf schließen, dass das Kugelrollen selbst Belohnungscharakter für die Tiere hat. Im Rahmen des Versuchs gewährten die Forschenden den Insekten wiederholt Zugang zu zwei unterschiedlich gefärbten Kammern. In Kammern der einen Farbe befanden sich stets bewegliche Kugeln, in den Kammern der anderen Farbe nie. Anschließend ließen sie die Hummeln zwischen Kammern beider Farben wählen, wobei die Sicht auf deren Inneres versperrt war. Das Ergebnis: Die Hummeln wählten deutlich häufiger die Kammer, in der sie sich zuvor mit den beweglichen Kugeln beschäftigen konnten – sie verbanden damit also offensichtlich etwas Positives.

Jüngere Hummeln rollen Kugeln häufiger

Spielverhalten lässt sich bei Säugetieren besonders häufig in frühen Lebensphasen beobachten. Und interessanterweise entdeckten die Forschenden Anzeichen dafür auch bei den Hummeln: Am intensivsten rollten die Insekten die Kugeln in der ersten Woche nach dem Schlüpfen. Allerdings begegneten sie den Objekten zu dieser Zeit auch das erste Mal – es könnte also sein, dass ihr Interesse an den Kugeln abnahm, weil sie sich daran gewöhnten, und nicht, weil sie älter wurden.

Dass das Verhalten tatsächlich altersabhängig ist, belegte ein weiteres Experiment, bei dem die Forschenden Hummeln verschiedenen Alters Zugang zu den Kugeln gaben. Das Ergebnis: Obwohl alle Hummeln das erste Mal mit den Kugeln in Kontakt kamen, rollten jüngere Tiere diese deutlich häufiger als ältere.

Diese Aufnahme der Forschenden vermittelt einen guten Eindruck vom möglichen Spielverhalten der Hummeln (Video: Samadi Galpayage)

Fazit

Den Ergebnissen der Studie zufolge weist das Kugelrollen der Hummeln wichtige Kennzeichen von Spielverhalten aus: Es erfolgt spontan und erfüllt nicht unmittelbar eine bestimmte Funktion – es dient also beispielsweise nicht der Ernährung, der Feindabwehr oder der Fortpflanzung. Vielmehr scheint das Verhalten aus sich selbst heraus belohnend zu sein. Darüber hinaus ist es bei jungen Tieren besonders ausgeprägt. Es spricht also einiges dafür, dass es sich beim Kugelrollen tatsächlich um eine Form des Spielens handelt.

Während Spielverhalten nicht mit direkten Vorteilen im evolutionären Sinn verbunden ist, geht man davon aus, dass es langfristig durchaus eine Funktion erfüllt – zum Beispiel, indem kognitive und motorische Fähigkeiten trainiert werden. Das ist den Forschenden zufolge möglicherweise auch bei den Hummeln der Fall: So könnte sich die Erfahrung mit den rollenden Kugeln beim Sammeln von Nektar und Pollen auf Blüten als vorteilhaft erweisen.


Zur Fach-Publikation:
Galpayage Dona, H. S.; Solvi, C.; Kowalewska, A.; Mäkelä, K.; MaBouDi, H. & Chittka, L. (2022): Do bumble bees play? Animal Behaviour.

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