Warum Insekten nachts oft Lampen umschwirren

Viele Insekten scheinen von Lichtquellen im Dunkeln geradezu angezogen zu werden. Bislang gab es unterschiedliche Hypothesen dazu, was dieses Verhalten auslöst. Doch in einer aktuellen Studie haben Forschende das Geheimnis nun offenbar gelüftet.

von Niklas Kästner

Insekten umkreisen eine künstliche Lichtquelle (Foto: Sam Fabian, zugeschnitten)

In Sommernächten lässt sich an Straßenlaternen oft ein beachtliches Spektakel beobachten: Verschiedenste Insekten fliegen immer wieder um das Licht herum, teilweise so lange, bis sie erschöpft zu Boden fallen. Wer nach Erklärungen für dieses Verhalten gesucht hat, stieß bislang auf keine eindeutige Antwort. In einer aktuellen Studie haben Forschende das Phänomen nun mit Hilfe modernster Technik genau unter die Lupe genommen.

Insekten im Fokus hochauflösender Kameras

Im Rahmen der Untersuchung filmte das Team um Samuel Fabian und Huai-Ti Lin Vertreter verschiedener Insektenarten an künstlichen Lichtquellen, sowohl in der Natur als auch im Labor. Hochauflösende Kameras und Infrarotlicht ermöglichten es dabei, die Flugbahn und Körperausrichtung der Insekten im Dunkeln exakt zu verfolgen.

Manche bisherigen Hypothesen lauteten, dass die Insekten vom Licht oder der damit einhergehenden Wärme selbst angezogen werden. Im Widerspruch dazu beobachteten die Forschenden allerdings: Die Insekten flogen so gut wie nie direkt auf die Lichtquelle zu. Vielmehr drehten sie ihr meist den Rücken zu und flogen um sie herum. Darüber hinaus änderte sich das Verhalten nicht, wenn die Forschenden Lampen einsetzten, die kaum Wärme abgeben.

Einer anderen Hypothese zufolge verwechseln Nachtfalter und Co. die Lichtquellen mit dem Mond, an dessen Position sie sich beim Fliegen orientieren. Doch wenn die Forschenden eine Lampe aus- und eine andere anknipsten, wechselten die Insekten häufig die Richtung, in der sie um die Lichtquelle kreisten. Das wiederum passte nicht zur Orientierungs-Hypothese – denn in diesem Fall wäre zu erwarten, dass sie ihren Körper stets gleich zum Licht ausrichten, so dass sich dieses stets entweder links oder rechts von ihnen befindet.

Eine Aufnahme aus der Studie (Video: Fabian et al. 2024, Lizenz: CC BY 4.0, gekürzt)

Ein Mechanismus zur Ausrichtung des Körpers wird zur Falle

Eine andere Erklärung passt jedoch perfekt zu den beobachteten Flugbahnen der Insekten, wie das Team mit Computersimulationen belegen konnte. Und zwar ist offenbar ein Verhalten verantwortlich, mit dem die Insekten ihren Körper beim Fliegen im Raum ausrichten: Sie drehen ihren Rücken stets zum hellsten Bereich in ihrem Sichtfeld. Da dies vor der Verbreitung des künstlichen Lichts sowohl tagsüber als auch nachts der Himmel gewesen ist, war sichergestellt, dass die Insekten mit dem Rücken nach oben und mit dem Bauch nach unten fliegen.

Allerdings haben wir Menschen diese Regel außer Kraft gesetzt: Wenn ein Insekt nachts an einer Straßenlaterne entlang fliegt, ist deren Lichtkegel plötzlich der hellste Bereich in seinem Sichtfeld. Entsprechend dreht es seinen Rücken beim Fliegen nicht mehr zum Himmel, sondern zur Laterne. Damit der Rücken aber stets dem Lichtkegel zugewandt bleibt, muss das Insekt unweigerlich eine Kurve fliegen. So gerät es in eine Art Dauerschleife und beginnt, um die Laterne zu kreisen – es wird quasi in der Nähe der Lichtquelle gefangen.

Fazit

Die Studie ist ein gutes Beispiel dafür, wie der technische Fortschritt die Wissenschaft beflügeln kann: Das exakte Verfolgen der Flugbahn kleiner Insekten im Dunkeln ermöglichte es den Forschenden, eine überzeugende Erklärung für ein lange bekanntes Verhaltensphänomen zu finden. Demzufolge steuern Motten und andere Insekten den Lichtkegel einer Lampe gar nicht gezielt an, sondern werden vielmehr davon umgelenkt, wenn sie daran vorbeifliegen – mit dem Ergebnis, dass sie wieder und wieder darum herumschwirren. Verantwortlich dafür ist offenbar ein simpler Mechanismus, der den Insekten lange eine korrekte Ausrichtung ihres Körpers beim Fliegen ermöglichte – ihnen aber zum Verhängnis wird, seit wir Menschen die Nacht mit künstlichem Licht erleuchten.


Zur Fach-Publikation:
Fabian, S. T.; Sondhi, Y.; Allen, P. E.; Theobald, J. C. & Huai-Ti Lin (2024): Why flying insects gather at artificial light. Nature Communications.

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