Warum verschlucken sich Finnwale beim Fressen nicht am Wasser?

Wenn Finnwale unter Wasser zum Fressen ihr Maul öffnen, strömen bis zu 80 Tonnen Meerwasser hinein. Einer aktuellen Studie zufolge verhindert ein „Stöpsel“ aus Gewebe, dass etwas davon in den Schlund der Tiere gelangt.

von Niklas Kästner

Mehrere Buckelwale strecken ihre Köpfe aus dem Wasser.
Buckelwale beim „lunge feeding“ (Foto: Vivek Kumar via Unsplash, zugeschnitten)

Finnwale (Balaenoptera physalus) können über 20 Meter lang werden. Ihre Beute ist im Vergleich dazu winzig: Sie ernähren sich vor allem von Krill – also wenige Zentimeter großen Krebstieren – und kleinen Fischen. Dass die Giganten dennoch satt werden, verdanken sie einer besonderen Methode der Nahrungsaufnahme, die als lunge feeding bezeichnet wird: Sie beschleunigen stark und öffnen ihr Maul, so dass bis zu 80.000 Liter Wasser hineingespült werden. Anschließend drücken sie das Wasser durch ihre Barten wieder hinaus, wobei darin enthaltene Beutetiere herausgefiltert werden. Neun bis zwölf Kilogramm Nahrung kann ein Wal auf diese Weise mit einem einzigen „Happen“ aufnehmen.

Doch wie verhindern die Tiere, dass das beim lunge feeding mit großer Kraft in ihr Maul eindringende Wasser über den Schlund in ihre Speise- oder gar Luftröhre gelangt? Die Antwort auf diese Frage hat nun offenbar ein Forschungsteam im Rahmen einer Untersuchung an toten Finnwalen gefunden.

Ein Buckelwal presst beim lunge feeding Wasser durch die Barten aus seinem Maul.
Ein Buckelwal presst beim lunge feeding Wasser durch die Barten aus seinem Maul (Foto: Foto: Brad Lewis via Unsplash, zugeschnitten)

Ein Stöpsel aus Fett und Muskeln

Wie die Forschenden Kelsey Gil, Wayne Vogl und Robert Shadwick in einer aktuellen Studie berichten, besitzen die Meeressäuger eine Art Stöpsel aus Fett- und Muskelgewebe, der im Ruhezustand über dem Schlund liegt und diesen abdichtet.

Wenn die Tiere das Wasser nach außen gepresst haben und die im Maul verbliebene Nahrung in ihren Magen befördern wollen, muss der Stöpsel allerdings weichen. Auf der Grundlage ihrer Untersuchungen vermuten die Forschenden folgenden Mechanismus: Die Wale ziehen das Stöpselgewebe nach oben und hinten, wodurch der Weg zur Speiseröhre frei wird – und der Zugang zu den oberen Luftwegen blockiert. Gleichzeitig verschließen andere Gewebeteile den Eingang zur Luftröhre und die Nahrung kann gefahrlos geschluckt werden.

Fazit

Der von den Forschenden entdeckte Mechanismus erscheint ebenso einfach wie genial: Ein Gewebestöpsel verhindert, dass sich Finnwale bei der Nahrungsaufnahme an den Wassermassen verschlucken, die in ihr Maul strömen. Die Forschenden gehen davon aus, dass dieser Struktur bei der Evolution des lunge feedings eine bedeutende Rolle zukam. Entsprechend lässt sie sich vermutlich auch bei anderen Bartenwalen finden, die sich auf diese besondere Weise ernähren – darunter Buckelwale (Megaptera novaeangliae) und Blauwale (Balaenoptera musculus).


Zur Fach-Publikation:
Gil, K. N.; Vogl, A. W. & Shadwick, R. E. (2022): Anatomical mechanism for protecting the airway in the largest animals on earth. Current Biology 32.

Weitere Literatur:
Goldbogen, J. A.; Pyenson, N. D. & Shadwick, R. E. (2007): Big gulps require high drag for fin whale lunge feeding. Marine Ecology Progress Series 349: 289-301.

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