Akustische Signale spielen bei Vögeln nicht nur bei der Partnerwahl eine große Rolle, sondern auch bei der Konkurrenz unter Männchen. Eine aktuelle Studie an Sumpfammern fand Hinweise darauf, dass Territorieninhaber sich vom Gesang sehr alter Männchen weniger bedroht fühlen.
Wenn ein männlicher Vogel den Gesang eines fremden Männchens in seinem Territorium vernimmt, reagiert er darauf für gewöhnlich sehr ungehalten. Da sind auch die in Nordamerika beheimateten Sumpfammern (Melospiza georgiana) keine Ausnahme. Wissenschaftler*innen untersuchten nun an einer wildlebenden Population, ob das Alter eines möglichen Rivalen die Reaktion des Territoriumsinhabers beeinflusst.
Das Experiment und sein Ergebnis
Das Team um Matthew Zipple und Stephen Nowicki spielte in den Territorien männlicher Sumpfammern Gesänge von Männchen verschiedener Altersklassen ab. Dazu verwendeten sie Aufnahmen von zweijährigen Sumpfammern und Aufnahmen derselben Vögel im hohen Alter von zehn Jahren. Dass die Qualität des Gesangs bei den alten Vögeln bereits abgenommen hat, hatte das Team schon in einer früheren Studie gezeigt. Nun wurde beobachtet, wie weit sich die Territorieninhaber dem Lautsprecher annäherten – bei Sumpfammern ein gutes Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs. Das Ergebnis: Die Vögel kamen dem Lautsprecher deutlich weniger nah, wenn die Gesänge der betagten Männchen abgespielt wurden.
Einschränkungen bei der Interpretation
Das Ergebnis der Studie lässt vermuten, dass männliche Sumpfammern sehr alte Rivalen an ihrer Stimme erkennen und sie als weniger bedrohlich einschätzen. Allerdings muss man bei dieser Interpretation etwas vorsichtig sein, wie auch das Team um Zipple und Nowicki einräumt.
Bei den Tonaufnahmen handelte es sich um Gesänge handaufgezogener Sumpfammern, die ihr Leben nicht in der Natur verbrachten. Es kann also durchaus sein, dass sich ihre Gesänge im Laufe der Jahre anders entwickelten als die von wilden Sumpfammern. Dazu kommt, dass ein Alter von zehn Jahren bei dieser Art in der Natur noch nie festgestellt wurde. Insofern ist es fraglich, wie relevant es für Territorieninhaber wirklich ist, solche Methusalems zu erkennen. Allerdings weisen die Forscher*innen darauf hin, dass die Qualität des Gesangs der handaufgezogenen Vögel nicht abrupt nachließ – es kann also durchaus sein, dass auch schon bei nicht ganz so alten Sumpfammern Veränderungen hörbar werden.
Fazit
Auch wenn das Ergebnis keinen sicheren Schluss zulässt, deutet es zumindest darauf hin, dass Sumpfammern sich vom Gesang alter Rivalen weniger bedroht fühlen. Das ist eine spannende Hypothese, die in weiteren Studien überprüft werden kann – nicht nur bei Sumpfammern, sondern auch bei anderen Vogelarten.
Zur Fach-Publikation:
Zipple, M. N.; Peters, S.; Searcy, W. A. & Nowicki, S. (2020): Sounds of senescence: male swamp sparrows respond less aggressively to the songs of older individuals. Behavioral Ecology 31: 533-539.
Weitere Literatur:
Zipple, M. N.; Nowicki, S.; Searcy, W. A. & Peters, S. (2019): Full life course analysis of birdsong reveals maturation and senescence of highly repeatable song characteristics. Behavioral Ecology 30: 1761-1768.
Ballantine, B.; Searcy, W. A. & Nowicki, S. (2008): Reliable aggressive signalling in swamp sparrows. Animal Behaviour 75: 693-703.
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