Mediziner auf sechs Beinen: Ameisen behandeln infizierte Wunden von Artgenossen mit antimikrobiellen Substanzen

Wenn sich Matabele-Ameisen verletzen, können sie sich einer aktuellen Studie zufolge auf eine effektive medizinische Behandlung verlassen: Ihre Nestgenossen säubern die Wunden und behandeln sie mit einem speziellen Drüsensekret – was die Überlebenschancen der verletzten Tiere gravierend verbessert.

von Niklas Kästner

Matabele-Ameisen während eines Jagdzugs (Foto: Erik T. Frank)

Matabele-Ameisen (Megaponera analis) leben gefährlich: Die südlich der Sahara verbreiteten Insekten ernähren sich ausschließlich von Termiten – und deren Soldaten sind äußerst wehrhaft. Entsprechend häufig werden Matabele-Ameisen während eines Angriffs verletzt und büßen zum Beispiel eins ihrer Beine ein. Infiziert sich eine solche Wunde, kann das leicht tödlich enden. Dennoch überleben viele der verletzten Tiere. Einer aktuellen Studie zufolge gibt es dafür einen erstaunlichen Grund: Ihre Nestgenossen versorgen ihre Wunden.

Wundversorgung auf Ameisenart

Wird eine Ameise bei einem Jagdzug verletzt, tragen ihre Koloniemitglieder sie zurück zum Nest. Dort beginnen andere Artgenossen damit, die Wunde intensiv zu bearbeiten. Ein Team um Erik Frank und Laurent Keller stellte im Rahmen der Untersuchung fest: Die Tiere reinigen die Wunden zunächst mit ihren Mundwerkzeugen und behandeln sie dann mit einem Sekret aus einer speziellen Drüse, der sogenannten Metapleuraldrüse. Interessanterweise zeigte sich, dass die Ameisen diese Behandlung deutlich häufiger vornahmen, wenn sich die Wunde eines Tiers infiziert hatte – was sie chemischen Analysen zufolge am Körpergeruch der Tiere erkennen können.

Matabele-Ameisen bei der Wundversorgung (Video: Erik T. Frank)

Wundversorgung steigert Überlebenschancen

In einem Experiment überprüften die Forschenden, wie sich die Wundversorgung durch die Artgenossen auf die Überlebenschancen verletzter Ameisen auswirkte. Dabei verfolgten sie das Schicksal von Ameisen, deren Wunden mit einem im Lebensraum der Tiere typischen Erreger (Pseudomonas aeruginosa) infiziert waren. Es zeigte sich: Hatten diese Ameisen Kontakt zu ihren Nestgenossen, nahm die Bakterienkonzentration kaum zu, und nach anderthalb Tagen lebten noch 92 Prozent der verwundeten Insekten. Hielten die Forschenden die Ameisen jedoch getrennt von ihren Artgenossen, stieg die Bakterienkonzentration stark an – und die Überlebensrate betrug lediglich 7 Prozent. Im Gegensatz dazu führte eine Isolation bei Ameisen mit nicht-infizierten Wunden zu keiner höheren Sterberate.

Wie lässt sich erklären, dass die Wundbehandlung die Überlebenschancen infizierter Ameisen so gravierend erhöht? Die Forschenden vermuteten, dass dabei das Drüsensekret eine Rolle spielt, welches die Ameisen auf die verletzten Stellen auftragen. Um diese Annahme zu überprüfen, verschlossen sie in einem weiteren Experiment bei einigen Ameisengemeinschaften die Metapleuraldrüsen, während diese bei anderen Ameisengemeinschaften geöffnet blieben. Anschließend beobachteten sie, wie sich diese Maßnahme auf die verletzten Ameisen auswirkte.

Drüsensekret entscheidend für den Behandlungserfolg

Das Ergebnis war eindeutig: In Ameisengemeinschaften mit geöffneten Metapleuraldrüsen lebten nach anderthalb Tagen noch 77 Prozent der infizierten Tiere – in Ameisengemeinschaften mit verschlossenen Metapleuraldrüsen keine einzige mehr. Bei Tieren mit nicht-infizierten Wunden war die Überlebensrate hingegen unter beiden Bedingungen gleich. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass das Drüsensekret tatsächlich ein entscheidender Faktor für die Infektionsbekämpfung ist. Untermauert wird dies von weiteren Analysen des Teams: Sie belegen, dass das Sekret aus der Metapleuraldrüse sowohl antimikrobielle als auch wundheilungsfördernde Substanzen enthält.

Fazit

Durch eine Reihe von geschickten Experimenten haben die Forschenden ein faszinierendes Verhalten entschlüsselt: Matabele-Ameisen behandeln verletzte Artgenossen mit einer speziellen „Wundsalbe“ – einem Drüsensekret mit medizinisch wirksamen Substanzen. Dadurch gelingt es ihnen, Infektionen zu bekämpfen und die Überlebenschancen der verletzten Tiere drastisch zu verbessern. Und offenbar erkennen sie sogar, wenn eine Wunde mit Krankheitserregern infiziert ist – und versorgen sie in der Folge besonders intensiv.


Zur Fach-Publikation:
Frank. E. T.; Kesner, L; Liberti, J.; Helleu, Q.; LeBoeuf, A. C.; Dascalu, A. (…) & Keller, L. (2023): Targeted treatment of injured nestmates with antimicrobial compounds in an ant society. Nature Communications.

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