Mandrill-Weibchen pflegen enge Kontakte zu ihren Schwestern – auch zu solchen, mit denen sie nur den Vater teilen. Wie erkennen die Tiere einander? Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich Töchter desselben Männchens außergewöhnlich stark ähneln.
Bei vielen Tierarten verbindet nahverwandte Tiere eine besonders enge Beziehung. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist das nicht überraschend: Je höher der Verwandtschaftsgrad, desto mehr Gene haben zwei Individuen gemein. Gibt eines davon sein Erbmaterial an einen Nachkommen weiter, profitieren im evolutionären Sinne also beide davon.
Häufig bilden sich solche Beziehungen zwischen Geschwistern heraus, die miteinander aufgewachsen sind. Aber wie erkennen sich Verwandte, die nicht von der gleichen Mutter aufgezogen wurden? Bei Mandrillen (Mandrillus sphinx) scheint dafür bei Töchtern desselben Vaters ein ähnliches Aussehen von großer Bedeutung zu sein, wie eine aktuelle Studie nahelegt.
Soziale Beziehungen bei Mandrillen
Mandrille leben in großen Verbänden aus Weibchen und ihren Jungtieren. Diese umfassen verschiedene Untergruppen, deren Mitglieder über die mütterliche Linie miteinander verwandt sind. Männliche Mandrille schließen sich den Weibchen nur zur Paarungszeit an. Dann sorgen meist wenige dominante Männchen für einen Großteil des Nachwuchses.
Es überrascht nicht, dass Tiere mit derselben Mutter im späteren Leben besonders enge Beziehungen pflegen – sie wachsen in der gleichen Untergruppe auf. Als Marie Charpentier und Julien Renoult mit ihrem Team die sozialen Begegnungen einer wilden Mandrillpopulation beobachteten, stellten sie allerdings fest: Auch Weibchen mit dem gleichen Vater aber unterschiedlichen Müttern unterhielten auffallend innige soziale Kontakte. Und das obwohl sie meist in unterschiedlichen Untergruppen aufwuchsen. Das wirft die Frage auf: Wie erkennen diese Tiere einander?
Bildanalyse mit künstlicher Intelligenz
Die Wissenschaftler*innen hatten die Idee, dass die Ähnlichkeit im Aussehen eine Rolle spielen könnte. Um ihre Hypothese zu überprüfen, analysierten sie in einem aufwändigen Verfahren tausende Portraits von weiblichen Mandrillen, die sie in den letzten acht Jahren angefertigt hatten. Von all den Weibchen auf den Fotos kannten sie die Verwandtschaftsbeziehungen. Bei der Bestimmung der Ähnlichkeit zwischen den Tieren verließen sie sich auf künstliche Intelligenz: Sie verwendeten ein als „Deep Learning“ beizeichnetes Computerverfahren, das auf dem Einsatz künstlicher neuronaler Netze basiert.
Das Ergebnis: Wie erwartet ähnelten sich die Gesichter zweier Tiere umso stärker, je näher sie miteinander verwandt waren. Aber: Erstaunlicherweise war dieser Effekt bei Halbschwestern mit dem gleichen Vater wesentlich stärker als bei Halbschwestern mit der gleichen Mutter! Die Forscher*innen vermuten, dass sich dieses Phänomen im Laufe der Evolution entwickelt hat, weil es die Entstehung von Beziehungen zwischen Töchtern des gleichen Vaters begünstigt.
Fazit
Die Studie legt nahe, dass es tatsächlich die Ähnlichkeit im Aussehen ist, die Halbschwestern von unterschiedlichen Müttern die Verwandtenerkennung ermöglicht. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Tiere wissen, wie sie selbst aussehen, und dadurch ihre Schwestern erkennen. Für wahrscheinlicher hält es das Team um Charpentier und Renoult, dass die Mütter eine vermittelnde Rolle spielen: Sie könnten die Ähnlichkeit zwischen ihren Nachkommen bemerken und so das Entstehen einer sozialen Beziehung zwischen diesen begünstigen.
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