Ameisen und Rinder verschaffen sich auf Grasland gegenseitig Vorteile. Einer aktuellen Studie zufolge kann ihr ungewöhnliches Zusammenspiel den Abbau von totem Pflanzenmaterial beschleunigen – indem es die Bodenbedingungen ihres Lebensraums merklich verändert.
In vielen Teilen der Welt nutzen Menschen natürliches Grasland als Weideflächen für die Rinderzucht. Dort leben die Wiederkäuer mitunter in erstaunlicher Wechselwirkung mit Ameisen, von der beide Seiten profitieren. Das Zusammenspiel der Tiere erhöht den verfügbaren Stickstoff und die Menge der Mikroorganismen im Boden – und beschleunigt dadurch anscheinend den Abbau von Pflanzenresten.
Anziehungskraft zwischen Ameisen und Rindern
Bei einer früheren Untersuchung im nordöstlichen China entdeckte ein Forschungsteam um Xiaofei Li, Zhiwei Zhong und Nazim Hassan bereits, dass Ameisen ihre Bauten bevorzugt dort anlegten, wo auch Rinder grasten. Das lag vermutlich daran, dass aufgrund des Appetits der Wiederkäuer weniger totes Pflanzenmaterial anfiel – und dadurch mehr Sonnenlicht den Erdboden erreichte. Die Anwesenheit von Ameisen sorgte anscheinend wiederum dafür, dass mehr Rinder in den umliegenden Bereichen grasten – denn die Insekten steigerten den Nährstoffgehalt des Bodens und der dort wachsenden Pflanzen.
Die Studie
Im gleichen Gebiet untersuchten Li, Zhong und Hassan nun mit weiteren Forschenden, welche Rolle diese gegenseitige „Anziehungskraft“ zwischen Rindern und Ameisen für den Abbauprozess von Pflanzenresten spielt. Dazu umzäunten sie zwölf Bereiche, die jeweils 50 x 50 Meter maßen. Auf der Hälfte der Flächen ließen sie in vier aufeinanderfolgenden Jahren während der Sommermonate Rinder grasen. Innerhalb der einzelnen Bereiche versahen sie zudem bestimmte Abschnitte regelmäßig mit Ameisengift. Dadurch schuf das Forschungsteam vier unterschiedliche Bedingungen: Flächen mit Rindern und Ameisen, Flächen mit Rindern aber ohne Ameisen, Flächen ohne Rinder aber mit Ameisen und Flächen sowohl ohne Rinder als auch ohne Ameisen.
Drei Jahre nach Versuchsbeginn untersuchten die Forschenden, wie lang der Zersetzungsprozess von Pflanzenresten auf den jeweiligen Flächen dauerte. Dazu sammelten sie im Frühjahr Gras der im Untersuchungsgebiet überwiegend vorkommenden Art Leymus chinensis und füllten eine definierte Menge davon in Nylonnetze. Diese platzierten sie anschließend auf der Fläche, auf der sie das Gras zuvor gesammelt hatten. Nach sechs Monaten bestimmte das Forschungsteam das Gewicht der in den Netzen verbliebenen Pflanzenreste.
Die Ergebnisse
Es zeigte sich: Das Zusammenspiel zwischen Rindern und Ameisen beschleunigte den Abbau des toten Pflanzenmaterials maßgeblich. Auf Flächen, auf denen die Tiere gemeinsam vorkamen, war wesentlich mehr Biomasse zersetzt als in den übrigen Bereichen.
Die Forschenden untersuchten zusätzlich die Bodeneigenschaften in den jeweiligen Bereichen. Dabei kam heraus: Wo Rinder und Ameisen lebten, war die Menge des verfügbaren Stickstoffs und die Zahl der Mikroorganismen erhöht – und besonders stark war dieser Effekt in Bereichen, in denen die Tiere gemeinsam vorkamen.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass die Weidehaltung von Rindern den natürlichen Lebensraum über ungeahnte Wechselwirkungen mit Ameisen beeinflussen kann. Die Wissenschaftler*innen vermuten, dass die erhöhte Geschwindigkeit des Abbaus der Pflanzenreste direkt mit den veränderten Bodeneigenschaften zusammenhängt: Ameisen und Rinder sorgen offenbar gemeinsam für einen erhöhten Stickstoffgehalt im Boden. Dadurch vermehren sich die dort lebenden Mikroorganismen – und je mehr von diesen in einem bestimmten Bereich leben, desto schneller wird dort tote Biomasse abgebaut.
Zur Fach-Publikation:
Li, X.; Risch, A. C.; Sanders, D.; Liu, G.; Prather, C.; Wang, Z.; Hassan, N.; Gao, Q.; Wang, D. & Zhong, Z. (2021): A facilitation between large herbivores and ants accelerates litter decomposition by modifying soil micro-environmental conditions. Functional Ecology.
Weitere Literatur:
Li X.; Zhong, Z.; Sanders, D.; Smit, C.; Wang, D.; Nummi, P.; Zhu Y.; Wang, L.; Zhu, H. & Nazim, H. (2018): Reciprocal facilitation between large herbivores and ants in a semi-arid grassland. Proceedings of the Royal Society B 285: 20181665.
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