Gruppenbewegungen bei Perlhühnern: Nicht immer bestimmen die Starken

Geierperlhühner gehen im Pulk auf Nahrungssuche. Dabei geben häufig ranghohe Tiere die Richtung vor. Doch wenn diese eine Futterstelle für sich allein beanspruchen, wendet sich das Blatt: Die Ausgeschlossenen zetteln eine Gruppenbewegung an – und die dominanten Tiere müssen folgen.

von Niklas Kästner

Geierperlhühner tragen ihren Namen nicht von ungefähr
Geierperlhühner tragen ihren Namen nicht von ungefähr (Foto: Sumeet Moghe via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0, zugeschnitten)

Geierperlhühner (Acryllium vulturinum) leben im Nordosten Afrikas und sind dort außerhalb der Brutzeit in stabilen Gruppen von meist etwas mehr als 20 Tieren unterwegs. Im Pulk spazieren sie durch die Savanne und suchen nach Nahrung in Form von Samen, Gräsern, Früchten oder Insekten. In den Gruppen herrscht eine klare Rangordnung und dominante Tiere setzen sich in Konflikten zuverlässig gegen unterlegene durch. Doch bestimmen die höherrangigen Tiere auch, wohin die Gruppe sich bewegt? Das Ergebnis einer aktuellen Studie zeigt: Es kommt darauf an.

Die Studie

Die Wissenschaftler*innen Danai Papageorgiou und Damien Farine bestimmten die Rangverhältnisse in mehreren Gruppen freilebender Geierperlhühner in Kenia. Dann beobachteten sie, wer bei Gruppenbewegungen den Ton angab.

Die Nahrung der Geierperlhühner ist meist relativ weit verstreut. Sie kann mitunter aber auch an einem Ort konzentriert sein, z. B. in Form von reifen Früchten an einer Pflanze. Ist letzteres der Fall, beanspruchen hochrangige Tiere die Nahrung oftmals für sich – und schließen die unterlegenen Tiere aus. Papageorgiou und Farine vermuteten, dass das die Gruppenbewegungen beeinflussen könnte. Entsprechend beobachteten sie die Geierperlhühner in zwei verschiedenen Situationen: nach dem Fressen von weit verstreuter und nach dem Fressen von an einem Ort konzentrierter Nahrung.

Das Ergebnis

Tatsächlich beeinflussten die Nahrungsbedingungen, welche Vögel die Richtung bestimmten. Fraßen die Geierperlhühner weit verstreute Nahrung, waren ranghohe Vögel die erfolgreicheren Anführer: Wenn sie sich vom Pulk entfernten, folgte dieser ihnen deutlich häufiger als rangniederen Tieren.

Anders verhielt es sich, wenn viel Nahrung an einem Fleck vorkam. Wenn die Forscher*innen Samen auf einer knapp zwei Quadratmeter großen Fläche auslegten, liefen zunächst alle Vögel zur Futterstelle. Allerdings begannen die ranghohen Tiere umgehend damit, die unterlegenen von dort zu vertreiben. Nach und nach sammelten sich so immer mehr rangniedere Tiere außerhalb der Fläche mit den Samen.

Hatten die dominanten Perlhühner ein gutes Dutzend ihrer unterlegenen Artgenossen vertrieben, löste irgendwann einer der Vögel eine Gruppenbewegung aus: Er entfernte sich zielstrebig von der Futterstelle und die übrigen „Ausgeschlossenen“ folgten ihm. Wollten die ranghohen Vögel nicht allein zurückbleiben, mussten sie sich ihren Artgenossen anschließen – und genau das taten sie. Und zwar selbst dann, wenn sie noch nicht alle Samen aufgefressen hatten.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie zeigen: Bei den Geierperlhühnern geben nicht immer die Starken die Richtung vor. Ist die Nahrung verstreut, folgt die Gruppe zwar eher ranghohen Tieren. Beanspruchen ranghohe Tiere allerdings ein konzentriertes Nahrungsangebot für sich, dann initiieren rangniedere Tiere eine Gruppenbewegung und auch die dominanten Tiere folgen.

Was die Studie darüber hinaus gut veranschaulicht: Obwohl die Geierperlhühner in einem engen sozialen Verband leben, treffen sie „egoistische“ Entscheidungen. In der Summe führt das unter Umständen dazu, dass sogar verfügbare Nahrung zurückgelassen wird – die dann keinem Mitglied der Gruppe nutzt.


Zur Fach-Publikation:
Papageorgiou, D. & Farine, D. R. (2020): Shared decision-making allows subordinates to lead when dominants monopolize resources. Science Advances 6: eaba5881.

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