In der Kalahari leben Skinke gemeinsam mit den für sie gefährlichen Zwergfalken in riesigen Nestern von Siedelweberkolonien. Das ist einer aktuellen Studie zufolge möglich, weil die Webervögel die Echsen rechtzeitig vor der Ankunft ihrer Feinde warnen.
Siedelweber (Philetairus socius) leben in trockenen Gebieten des südlichen Afrikas. Die Vögel brüten in großen Gemeinschaftsnestern, die häufig über viele Jahre genutzt werden. Ein solches Bauwerk kann bis zu 250 einzelnen Nestkammern – und entsprechend vielen Brutpaare – Platz bieten. Aber auch andere Tiere nutzen die riesigen Gebilde als Unterschlupf und Brutplatz, darunter die Halsband-Zwergfalken (Polihierax semitorquatus). Das Territorium der Greifvögel kann mehrere Siedlerweberkolonien umfassen, zwischen denen sie gelegentlich wechseln. Ebenfalls häufig an Bäumen mit Webervogelnestern anzutreffen sind Kalahari Skinke (Trachylepis spilogaster). Die Echsen suchen im großen Nest Zuflucht vor Feinden und nutzen es darüber hinaus zum Sonnenbaden.
So kommt es vor, dass Falken und Skinke gemeinsam in einer Siedelweberkolonie leben. Das ist bemerkenswert, da die Echsen ganz oben auf dem Speiseplan der Zwergfalken stehen. Noch erstaunlicher: auf Bäumen mit Siedelwebernester, die von Falken bewohnt werden, finden sich nicht weniger Skinke als auf falkenfreien Koloniebäumen. Wie lässt sich das erkären?
Die Idee
Erwachsene Siedelweber fallen Zwergfalken zwar nur sehr selten zum Opfer – dennoch geben sie Warnrufe ab und fliegen auf, sobald sich einer davon dem Nest nähert. Die Forscher Anthony Lowney, Tom Flower und Robert Thomson hatten eine Idee: Wenn die Echsen sich an ihren Gastgebern orientieren, können sie rechtzeitig bei Ankunft der Zwergfalken im Nest Schutz suchen. Das könnte ihnen das Leben in direkter Nachbarschaft zu ihren Feinden ermöglichen.
Diese Hypothese übeprüften sie in drei Schritten in einem Studiengebiet in der Kalahari. Dort finden sich etwa 250 Siedelweberkolonien, von denen 14 Prozent auch von Zwergfalken bewohnt werden.
Skinke passen Verhalten an Anwesenheit der Siedelweber an
Zunächst untersuchten die Forscher, ob die Anwesenheit der Webervögel am Koloniebaum Einfluss auf das Verhalten der Echsen hat. Das Ergebnis ihrer Beobachtungen: Befanden sich Siedelweber in der Nähe, ließen sich mehr Skinke blicken. Außerdem wagten sie sich häufiger vom Stamm aus bis auf den Boden vor. Das passt zur Hypothese der Forscher, dass die Skinke von den Siedelwebern vor Gefahren gewarnt werden: Sind ihre gefiederten Gastgeber anwesend, werden sie mutiger.
Siedelweber ermöglichen frühere Flucht
In einem nächsten Schritt führten die Forscher ein Experiment durch. Einer von ihnen näherte sich wiederholt Skinken, die sich an Bäumen mit oder ohne Siedelwebernest und anwesenden Webervögeln aufhielten. Sobald die Echsen vor ihm flohen, notierte er, wie weit er noch von ihnen entfernt war.
Das Zusammenleben mit den Vögeln hatte einen deutlichen Einfluss: An Bäumen ohne Siedelweberkolonie flohen die Skinke im Schnitt erst, nachdem sich der Forscher bereits auf 3 Meter genähert hatte. An Koloniebäumen suchten sie bereits das Weite, als er noch 7,5 Meter entfernt war. Außerdem flohen sie in diesen Fällen immer nach oder gleichzeitig mit den Vögeln. Auch diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die Echsen sich an ihren Gastgebern orientieren.
Skinke reagieren auf Siedelweber-Warnrufe
In einem letzten Experiment untersuchten Lowney und seine Kollegen, welche Rolle die Warnrufe der Siedelweber spielen. Dieses glich vom Ansatz her dem vorherigen. Diesmal näherten sie sich allerdings nicht den Skinken, sondern spielten zuvor aufgezeichnete Rufe von Siedelwebern ab – in der Hälfte der Fälle Warnrufe, in der anderen Hälfte Kontaktrufe. Wie würden die Echsen auf die Lautäußerungen reagieren?
Hörten die Skinke einen Warnruf, bewegten sie wesentlich häufiger den Kopf als bei einem Kontaktruf. Interessanterweise war das unabhängig davon, ob sie auf einem Baum mit oder ohne Siedelweberkolonie lebten. Das spricht dafür, dass der Warnruf die Echsen grundsätzlich aufmerksamer werden lässt.
Besonders interessant war aber die Fluchtreaktion der Tiere: Während Skinke auf Koloniebäumen fast immer Schutz suchten, wenn ein Warnruf erklang, flohen Skinke auf Bäumen ohne Webervögel nur selten. Das legt nahe, das erstere durch das Zusammenleben mit den Vögeln gelernt haben, dass der Ruf unmittelbare Gefahr bedeutet.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie stützen die Hypothese der Forscher: Die Skinke scheinen auf die Signale der Siedelweber zu achten, und so einer drohenden Gefahr früher entkommen zu können. Demzufolge bereiten die Webervögel Falken und Echsen also nicht nur das Nest – sie ermöglichen ihnen sogar das Zusammenleben.
Zur Fach-Publikation:
Lowney, A. M.; Flower, T. P. & Thomson, R. L. (2020): Kalahari skinks eavesdrop on sociable weavers to manage predation by pygmy falcons and expand their realized niche. Behavioral Ecology araa057.
Weitere Literatur:
Rymer, T. L.; Thomson, R. L. & Whiting, M. J. (2014): At home with the birds: Kalahari tree skinks associate with sociable weaver nests despite African pygmy falcon presence. Austral Ecology 39: 839-847.
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