Gefiederte Ingenieure: Zahlreiche Arten profitieren von den Bauwerken der Siedelweber

Siedelweber bauen riesige Nester, die teils hunderte Kammern umfassen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass viele weitere Arten von diesen Bauwerken profitieren – zum Beispiel indem sie im Nest Zuflucht finden oder sich in dessen Schatten ausruhen.

von Niklas Kästner

Beeindruckende Bauwerke: Die Nester der Siedelweber
Beeindruckende Bauwerke: Die Nester der Siedelweber (Foto: Anthony Lowney, zugeschnitten)

Manche Tiere verändern ihre Umwelt erheblich: Sie zimmern Höhlen, fällen Bäume oder graben nach unterirdischen Wasservorkommen – entsprechend werden sie in der Fachliteratur als „Ökosystem-Ingenieure“ bezeichnet (Englisch: ecosystem engineers). Dabei profitiert von ihren Aktivitäten oftmals auch eine Vielzahl anderer Arten. Wie eine aktuelle Studie zeigt, gilt das auch für Siedelweber (Philetairus socius): Sie errichten riesige Gemeinschaftsnester mit bis zu 250 Kammern – und diese locken zahlreiche Tiere anderer Arten an.

Ein Siedelweber
Ein Siedelweber (Foto: Yathin S Krishnappa via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Die Studie

Die Forscher Anthony Lowney und Robert Thomson untersuchten die Rolle der Nester von Siedelweberkolonien in der Kalahari. Mithilfe von Kamerafallen verglichen sie das Vorkommen verschiedener Tierarten an 45 Bäumen mit Siedelwebernest mit dem Vorkommen an 45 vergleichbaren Bäumen ohne Siedelwebernest.

Der Unterschied war drastisch: Während sich auf den Bäumen ohne Nest im Verlauf von acht Tagen insgesamt bloß fünf Tiere blicken ließen, waren es auf den Bäumen mit Nest 193 Tiere. Die Besucher stammten aus zwölf Arten, darunter sowohl kleinere Nagetiere wie Akazienratten (Thallomys nigricauda) und Bilche (Graphiurus murinus) als auch Raubtiere wie Ginsterkatzen (Genetta tigrina) und Mangusten (Galerella sanguinea). Bei nächtlichen Beobachtungen entdeckten die Wissenschaftler darüber hinaus in 84 % der Nester Vögel anderer Arten, die in den Kammern ruhten.

Selbst am Boden unter den Bäumen mit Siedelwebernest war die tierische Aktivität erhöht. Dort fanden sich mehr Tiere ein als an Bäumen ohne Nest – unter anderem Antilopen, die im Schatten des Bauwerks Schutz vor der Sonne suchten.

Ein paar Aufnahmen der Kamerafallen, die uns Anthony Lowney freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat:

Ein Großer Kudu im Schatten eines Siedelwebernests (Foto: Anthony Lowney, zugeschnitten)
Eine Oryxantilope (Foto: Anthony Lowney, zugeschnitten)
Ein Gepard auf einem Siedelwebernest (Video: Anthoney Lowney)
Eine Ginsterkitze auf einem Baum mit Siedelwebernest (Video: Anthoney Lowney)

Fazit

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Biodiversität an Bäumen mit Siedelwebernestern deutlich erhöht ist. Ihre geräumigen Konstruktionen bieten verschiedenen Arten einen Zufluchtsort – und locken vermutlich deshalb auch Raubtiere an.

Dabei weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass ihre Studie den Einfluss der Siedelweberkolonien auf das Leben anderer Tiere wahrscheinlich sogar unterschätzt. Denn sie erfassten in ihrer Studie lediglich Säugetiere und Vögel – vermuten aber, dass auch etliche andere Wirbeltiere und Wirbellose von den Bauwerken der gefiederten Ingenieure profitieren.


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2 Kommentare

  1. betr: Siedelwebernester
    sehr geehrte Damen und Herren,
    ich habe mir viele Fotos von Siedelwebernestern angeschaut und auf sozusagen allen Fotos sahen die Nestgebilde aus wie verschiedenste existente Tierarten, oft auch mehrere Tierarten in einem Nestbau, die Grösse der Tierart meist wesentlich größer als in Natur. Haben Sie schon geforscht, ob diese visuellen Eigenschaften eine Funktion, einen Zweck für die Nester ausüben? Ev als Schutz fürs Nest? Oder für die Artenvielfalt des Brutplatzes, da ja bei Bäumen mit diesen Nester häufiger verschiedene Tierarten anzutreffen sind. Ist überhaupt schon aufgefallen, dass die Nestgebilde wie Tierkörper aussehen?
    Über ein feedback würde ich mich sehr freuen, mit freundlichen Grüßen,
    felix.blume@gmx.net

    1. Lieber Herr Blume,

      das ist eine sehr spannende Beobachtung! Uns sind zu diesem Punkt keine Forschungsergebnisse bekannt und eine kurze Recherche hat diesbezüglich nichts ergeben. Aber wir werden die Augen und Ohren offenhalten! 🙂

      Beste Grüße

      Niklas Kästner

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