Behufte Brunnenbauer: Pferde und Esel machen Wasser für Wüstenbewohner zugänglich

In den Wüsten im Südwesten Nordamerikas graben wildlebende Pferde und Esel Zugänge zu Wasservorkommen, die im Boden verborgen sind. Das nutzt einer aktuellen Studie zufolge auch vielen anderen Tierarten – und manchen Pflanzen.

von Niklas Kästner

Pferde und Esel graben in nordamerikanischen Wüstengebieten Zugänge zu unterirdischem Wasser
Mustangs in Arizona (Foto: John Harwood via Flickr, Lizenz: CC BY 2.0)

In Wüstengebieten ist Wasser ein knappes Gut. Selbst wenn sich ergiebige Grundwasservorkommen nur wenige Meter unter dem Sand befinden, bleiben sie für die meisten Tiere unerreichbar. Doch einige große Säugetiere graben metertiefe Zugänge zu verborgenen Wasserreservoirs. Von diesen „Brunnen“ profitieren nicht nur sie selbst, sondern auch etliche andere Wüstenbewohner, wie eine aktuelle Studie belegt.

Ein Pferd gräbt nach Wasser (Foto: Erick Lundgren, zugeschnitten)

Pferde und Esel machen Wasser zugänglich

Ein Forschungsteam um Erick Lundgren und Arian Wallach untersuchte mehrere Herden wildlebender Pferde (Equus ferus caballus) und Esel (Equus africanus asinus) in der Sonora- und der Mojavewüste im Südwesten Nordamerikas. Die Wissenschaftler*innen stellten fest, dass die einst von den Europäern eingeführten Huftiere regelmäßig bis zu zwei Meter tiefe Löcher gruben – und so verborgene Wasservorkommen zugänglich machten. Dadurch erhöhten sie nicht nur die Gesamtmenge an Oberflächenwasser, sondern sie verringerten auch den Abstand zwischen einzelnen Wasserquellen.

Ein Esel gräbt nach Wasser (Foto: Erick Lundgren, zugeschnitten)

Tiere und Pflanzen profitieren

Um zu untersuchen, ob auch andere Tierarten die zusätzliche Wasserversorgung nutzen, installierten die Wissenschaftler*innen Kamerafallen an mehreren der neugeschaffenen Quellen. So entdeckten sie insgesamt 57 verschiedene Spezies, die ihren Durst an den Brunnen der Pferde und Esel stillten. Die tatsächliche Zahl war vermutlich sogar noch höher, da das Team aufgrund der Bildqualität nur Arten ab einer gewissen Größe berücksichtigte.

Neben den Tieren profitierten auch Pflanzen von den Grabungen der Huftiere: Die Forschenden fanden an den Wasserstellen eine außergewöhnlich hohe Zahl an Pappeln und Weiden. Diese war sogar höher als an umliegenden Flussufern – vermutlich, weil an Letzteren mehr Konkurrenz durch andere Pflanzen herrschte.

Eine Hirschkuh und ihr Kalb trinken (Foto: Erick Lundgren, zugeschnitten)
Ein Luchs nähert sich dem Wasser (Foto: Erick Lundgren, zugeschnitten)

Fazit

Wenn es um von Menschen eingeführte Tierarten geht, stehen oft ihre negativen Auswirkungen auf die von ihnen bewohnten Ökosysteme im Vordergrund. Auf Grundlage ihrer Ergebnisse vermuten die Wissenschaftler*innen, dass besonders trockene Gebiete von der Anwesenheit verwilderter Pferde und Esel allerdings durchaus profitieren könnten: Indem die Tiere als „Brunnenbauer“ viele weitere Arten mit Wasser versorgen, könnten sie eine wichtige ökologische Funktion übernehmen. Diese wurde vermutlich ursprünglich von dort ansässigen, großen Säugetieren erfüllt, die inzwischen ausgestorben sind.

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass die Zusammenhänge in einem Ökosystem meist äußerst komplex sind. Um beurteilen zu können, wie sich die Anwesenheit eingeführter Huftiere in trockenen Gebieten langfristig auswirkt, bedarf es zunächst wohl weitergehender Untersuchungen.


Zur Fach-Publikation:
Lundgren, E. J.; Ramp, D.; Stromberg, J. C.; Wu, J.; Nieto, N. C.; Sluk, M.; Moeller, K. T. & Wallach, A. D. (2021): Equids engineer desert water availability. Science 372: 491-495.

Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, können Sie das zum Beispiel so tun:
Kästner, N. (2021): Weibliche Orang-Utans ernähren sich ausgewogener als ihre männlichen Artgenossen. ETHOlogisch – Verhalten verstehen (www.ethologisch.de, abgerufen am [Datum]).

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