Weibliche Bonobos adoptieren Jungtiere aus fremden Gruppen

Bonobos leben in gemischtgeschlechtlichen Gruppen, die untereinander ausgesprochen friedfertig sind. In einer aktuellen Studie machte ein Forschungsteam eine außergewöhnliche Beobachtung: Zwei Weibchen adoptierten Jungtiere aus einer fremden Gruppe.

von Tobias Zimmermann

Bonobos adoptieren Jungtiere aus fremden Gruppen
Ersatzmutter „Marie“ säugt ihr adoptiertes Jungtier „Flora“, während ihre eigenen Nachkommen im Hintergund spielen (Foto: Tokuyama et al. 2021, Lizenz: CC BY 4.0)

Bonobos (Pan paniscus) leben in gemischtgeschlechtlichen Gruppen in Zentralafrika. Im Gegensatz zu den nah verwandten Schimpansen sind die einzelnen Gruppen untereinander äußerst tolerant: Sie teilen gemeinsame Streifgebiete und schließen sich gelegentlich für mehrere Tage zusammen. Einer aktuellen Studie zufolge adoptieren Bonoboweibchen mitunter sogar Nachkommen aus fremden Gruppen.

Die Studie

Ein Team um Nahoko Tokuyama und Shintaro Ishizuka beobachtete insgesamt vier wildlebende Bonobogruppen im Luo Scientific Reserve in der Demokratischen Republik Kongo. Dort untersuchen Forschende bereits seit 1973 das Zusammenleben der Primaten – und verfolgen die einzelnen Individuen größtenteils seit mehreren Jahren. Anhand von DNA aus gesammelten Kotproben bestimmte das Team außerdem die Verwandtschaftsverhältnisse der Tiere.

Die Ergebnisse

Während ihrer Beobachtungen entdeckten die Forschenden in zwei verschiedenen Gruppen, wie sich jeweils ein ausgewachsenes Weibchen von einem Tag auf den anderen dauerhaft um ein fremdes, vermutlich verwaistes Jungtier kümmerte. In einem Fall handelte es sich bei dem fürsorglichen Weibchen um „Maria“, die zu diesem Zeitpunkt bereits zwei eigene Nachkommen versorgte – was sie offenbar nicht davon abhielt, mit „Flora“ ein weiteres Jungtier im Alter von etwa 2,5 Jahren aufzunehmen. Nur wenige Monate später nahm „Chio“ die etwa 3-jährige „Ruby“ in ihre Obhut. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits über 50 Jahre alt und hatte seit mehreren Jahren keinen eigenen Nachwuchs mehr bekommen.

„Chio“ versorgt ihr adoptiertes Jungtier „Ruby“ mit Nahrung (Foto: Tokuyama et al. 2021, Lizenz: CC BY 4.0)

Maria und Chio blieben in der Folgezeit dauerhaft in unmittelbarer Nähe der fremden Jungtieren, trugen und groomten (groomen: Fellpflege, „lausen“) sie regelmäßig und teilten ihre Schlafnester und Nahrung mit ihnen. Die Forschenden beobachteten sogar mehrfach, wie Maria Flora säugte. Beide Weibchen hatten die Jungen anscheinend bereitwillig adoptiert und sorgten zum Studienende bereits seit mehr als einem Jahr für sie.

Das besonders Erstaunliche daran: Sowohl Flora als auch Ruby stammten aus keiner der im Untersuchungsgebiet ansässigen Gruppen. Und auch die Erbgutanalysen ergaben, dass beide weder mit ihren Adoptivmüttern noch mit einem anderen Weibchen innerhalb der zugehörigen Gruppe näher verwandt waren.

Fazit

Es kommt für gewöhnlich selten vor, dass Säugetiere fremde Nachkommen adoptieren – auch wenn dieses Phänomen für verschiedene gruppenlebende Arten beschrieben ist, wie etwa Vampirfledermäuse. Die beobachtete Fürsorge der Primaten ist umso bemerkenswerter, da die Jungtiere aus einer fremden Gruppe stammten. Das hängt wahrscheinlich mit dem friedlichen Zusammenleben der Bonobos zusammen: Es ist anzunehmen, dass die ausgeprägte Harmonie, die üblicherweise zwischen verschiedenen Gruppen herrscht, solche gruppenübergreifenden Adoptionen überhaupt erst möglich macht.


Zur Fach-Publikation:
Tokuyama, N.; Toda, K.; Poiret, M.-L.; Iyokango, B.; Bakaa, B. & Ishizuka, S. (2021): Two wild female bonobos adopted infants from a different social group at Wamba. Scientific Reports 11: 4967.

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