Die Funktion eines Verhaltens

Hinter dem Begriff „Funktion“ verbirgt sich für gewöhnlich eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Die Natur verteilt allerdings keine Aufgaben – und dennoch wird dem Verhalten von Tieren in der Verhaltensbiologie eine Funktion zugeschrieben. Was ist damit gemeint?

von Niklas Kästner

Ein Artikel aus unserer Rubrik ETHOlexikon (Foto: Aaron Burden via Unsplash, zugeschnitten und gespiegelt)

Ein Hase läuft hakenschlagend davon, um Fressfeinden zu entkommen. Ein männlicher Frosch quakt laut, um Weibchen anzulocken. Ein Wolf wittert, um mögliche Beute aufzuspüren.  

Sätze wie diese klingen, als verfolgten Tiere mit ihrem Verhalten eine bestimmte Absicht. Doch in den allermeisten Fällen können wir davon ausgehen, dass sie nicht planvoll vorgehen – ja, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, was sie gerade tun.

Keine Absicht, aber eine Funktion

Diesem Umstand trägt die Verhaltensbiologie Rechnung, indem sie von der „Funktion“ eines Verhaltens spricht: Das Hakenschlagen des Hasen hat die Funktion, Fressfeinden zu entkommen. Das Quaken des Froschs hat die Funktion, Weibchen anzulocken. Das Wittern des Wolfs hat die Funktion, mögliche Beute aufzuspüren.

Ein quakender Frosch im Wasser
Das Quaken eines Froschs hat eine Funktion (Foto: Ralphs_Fotos via Pixabay, zugeschnitten)

Der Vorteil dieses Begriffs ist, dass er keine Absicht voraussetzt. Das wird daran deutlich, dass auch Objekte Funktionen haben können: Die Heizspirale in einem Wasserkocher hat beispielsweise die Funktion, Wasser zu erhitzen. Deshalb würde aber niemand auf die Idee kommen, ihr eine Intention zu unterstellen.

Wie kommt ein Verhalten zu seiner Funktion?

Allerdings gibt es einen in diesem Zusammenhang entscheidenden Unterschied zwischen einem Wasserkocher und einem Tier: Der Wasserkocher wurde zu einem bestimmten Zweck gebaut. Die Heizspirale hat eine Funktion, weil wir ihr diese zugewiesen haben.

Tiere hingegen wurden nicht am Reißbrett konstruiert. Wieso schreiben wir ihrem Verhalten dennoch eine Funktion zu? Das hat mit der Evolution zu tun. Tiere sind wie alle Lebewesen von der natürlichen Selektion geformt worden. Manche Individuen haben sich dank eines bestimmten Verhaltens erfolgreicher fortgepflanzt als andere – zum Beispiel, weil sie effektiver ihren Fressfeinden entkamen, Paarungspartner anlockten oder Nahrung aufspürten. Dieses Verhalten haben sie an ihre Nachkommen vererbt. Es gibt also einen Grund dafür, dass ein Verhalten aus der Evolution hervorgegangen ist. Und dieser Grund ist es, den wir als die Funktion des Verhaltens bezeichnen.

Fazit

Fassen wir zusammen: Im Alltag steckt hinter einer Funktion meist eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Dahinter wiederum steht der Plan von Menschen, die einem Objekt oder einer Person eine bestimmte Rolle zuweisen. In der Verhaltensbiologie hat der Begriff Funktion eine etwas andere Bedeutung: Er bezieht sich auf den evolutiven Vorteil, den ein Verhalten einem Tier verschafft.


Literatur:
Kappeler, P. (2017): Verhaltensbiologie. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 4. Auflage.

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