Wasservögel als Transportmittel: Flussbarsche besiedeln neue Gewässer offenbar auf dem Luftweg

Wie gelangen Fische in Seen, zu denen es keine Wasserverbindung gibt? Einer aktuellen Studie zufolge können Wasservögel dabei eine entscheidende Rolle spielen – indem sie den Laich der Fische von einem Gewässer ins andere tragen.

von Niklas Kästner

Fliegen vermutlich manchmal mit Fischlaich im Gepäck: Enten (Foto: Brad West via Unsplash, zugeschnitten)

In vielen Seen, die nicht mit anderen Gewässern verbunden sind, leben Fische. Oftmals lässt sich das dadurch erklären, dass in früheren Zeiten doch eine Verbindung bestanden hat – oder dadurch, dass Menschen die Tiere dort ausgesetzt haben. Doch es gibt auch Fälle, in denen diese beiden Faktoren ausgeschlossen werden können. Schon lange nimmt man an, dass die Besiedlung der Gewässer in diesem Fall durch Wasservögel ermöglicht wird, die Fischeier an ihren Füßen oder ihrem Gefieder in neue Seen eintragen. In einer aktuellen Studie haben Forschende überzeugende Argumente dafür gefunden, dass diese Vermutung tatsächlich zutrifft.

Neu entstandene Seen im Fokus

Das Forschungsteam um Flavien Garcia und Julien Chucherousset untersuchte im Rahmen der Studie die Besiedlung isolierter Seen durch den Flussbarsch (Perca fluviatilis). Insgesamt berücksichtigten sie dabei 37 Gewässer in einem 70 Kilometer x 75 Kilometer großen Areal in Frankreich. Diese waren im Zuge des Kiesabbaus in der Region erst innerhalb der letzten 56 Jahre entstanden – trotzdem fanden die Forschenden in 29 davon Flussbarsche. 

Menschliche Einflüsse scheinen keine Rolle zu spielen

Da die Entstehungsgeschichte der Seen bekannt ist, konnte das Team sichergehen, dass diese nie direkt miteinander verbunden waren, weder durch Flüsse noch durch Flutereignisse. Doch wie sieht es mit dem Einfluss von Menschen aus?

Den Ergebnissen der Studie zufolge scheint dieser für die Besiedlung der Kiesseen durch die Fische keine große Rolle zu spielen. In vielen Seen, in denen Flussbarsche lebten, konnten die Forschenden das offizielle Einbringen von Fischen im Zuge von Managementpraktiken klar ausschließen. Und auch ein illegales Einsetzen der Tiere erscheint unwahrscheinlich: Zum einen sind die Seen nicht für die Öffentlichkeit zugänglich und zum anderen ergaben Befragungen, dass die in der Region angelnden Personen grundsätzlich nur wenig Interesse an Flussbarschen haben.

Ein Transport durch Wasservögel erscheint möglich

Offenbar sind die Fische also auf anderem Weg in die Seen gelangt – und dabei erscheint eine Beteiligung von Wasservögeln durchaus plausibel. Denn weiteren Ergebnissen der Forschenden zufolge finden sich zur Laichzeit der Flussbarsche zu Jahresbeginn im Bereich der Seen zahlreiche Wasservögel, darunter vor allem Stockenten (Anas platyrhynchos) und Blässhühner (Fulica atra). Da Flussbarsche ihre Eier in langen, klebrigen Schnüren im Uferbereich ablegen, können diese sich leicht an den Füßen oder im Gefieder der dort nach Nahrung suchenden Vögel verfangen. Und auch eine andere Transportform scheint möglich: So fressen sowohl Stockenten als auch Blässhühner Fischeier – und jüngere Untersuchungen haben ergeben, dass diese mitunter die Passage durch den Magen-Darm-Trakt von Vögeln überleben können.

Genetische Analysen sprechen für die Verbreitung durch Wasservögel

Letztlich sprechen auch genetische Analysen der Flussbarsche in den Gewässern für eine Verbreitung durch die Wasservögel. So fliegen beispielsweise Stockenten im Zuge der Nahrungssuche meist nicht mehr als zwei Kilometer. Es ist also wesentlich wahrscheinlicher, dass sie Fischlaich in einen benachbarten See einbringen als in einen weit entfernt liegenden. Und tatsächlich ergab die Untersuchung, dass Flussbarsche in nah beieinander liegenden Seen einander genetisch ähnlicher waren – also näher miteinander verwandt – als solche in weit voneinander entfernt liegenden Seen.

Die Forschenden identifizierten auf Grundlage der genetischen Analysen in den Seen auch acht Fische, die sich genetisch jeweils der Population eines anderen Gewässers zuordnen ließen. Demnach handelte es sich bei ihnen offenbar um Neuankömmlinge, die selbst in den entsprechenden See „eingereist“ waren. Die Distanz, die sie dabei überwunden hatten, passte ebenfalls zum Flugverhalten der Wasservögel: Die Hälfte der Fische stammte aus einem weniger als zwei Kilometer weit entfernten Gewässer. Zudem fand sich der mit Abstand am weitesten gereiste Fisch 54,6 Kilometer von seinem Ursprungsort entfernt – und damit nicht mehr als die maximale Strecke, die Stockenten Untersuchungen zufolge im Zuge der Ernährung zurücklegen.

Fazit

Ein echter Beweis des Anteils von Wasservögeln an der Gewässerbesiedlung durch Fische ist schwierig. Schließlich müsste man diese in Echtzeit verfolgen und dabei nicht nur beobachten, wie Fischeier mit Vögeln reisen, sondern auch, dass sich aus diesen Eiern anschließend überlebensfähige Populationen entwickeln. Doch zusammengenommen liefern die Ergebnisse der aktuellen Studie am Beispiel des Flussbarsches zumindest starke Argument dafür, dass Enten und andere Wasservögel tatsächlich als Transportmittel zur Verbreitung von Fischen beitragen – und diesen so ermöglichen, neu entstandene Seen im Verlauf weniger Jahrzehnte zu besiedeln.


Zur Fach-Publikation:
Garcia, F.; Paz-Vinas, I.; Gaujard, A.; Olden, J. D. & Cucherousset, J. (2023): Multiple lines and levels of evidence for avian zoochory promoting fish colonization of artificial lakes. Biology Letters.

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