Wir Menschen sind unübertroffen darin, für die Zukunft zu planen. Doch zumindest in Ansätzen sind auch manche unserer nicht-menschlichen Verwandten dazu fähig. Ein Beispiel liefert eine aktuelle Studie: Geradschnabelkrähen sichern sich Werkzeuge, die ihnen erst später nutzen.
Wir Menschen sind außergewöhnlich gut darin, für die Zukunft zu planen. Doch wenngleich wir unseren nicht-menschlichen Verwandten in dieser Hinsicht deutlich überlegen sind – mittlerweile gibt es überzeugende Hinweise darauf, dass auch einige von ihnen vorausdenken können. Das jüngste Beispiel dafür liefert eine aktuelle Studie an Geradschnabelkrähen (Corvus moneduloides).
Die Studie
Geradschnabelkrähen leben ausschließlich auf Neukaledonien, einer Inselgruppe östlich von Australien. Sie gehören zur intelligenten Familie der Rabenvögel – doch selbst aus diesen stechen sie durch besondere Denkleistungen hervor: Sie nutzen nicht nur Werkzeuge zur Nahrungssuche, sondern stellen diese mitunter auch selbst her.
Ein Forschungsteam um Markus Böckle, Alex Taylor und Nicky Clayton untersuchte nun in einem Experiment, ob Geradschnabelkrähen in der Lage sind, den zukünftigen Einsatz von Werkzeugen zu planen. Dazu verwendeten die Wissenschaftler*innen einen Versuchsaufbau, der in ähnlicher Form auch bei psychologischen Studien an Kindern eingesetzt wird. Dabei geht es darum, aus einer Reihe verschiedener Werkzeuge dasjenige auszuwählen, das einem erst zu einem späteren Zeitpunkt nutzen wird.
Schritt 1: Die Werkzeuge
Zunächst lernten vier weibliche und fünf männliche Krähen drei unterschiedliche Werkzeuge kennen: Einen Haken, einen Stock und einen Stein. Mit diesen konnten sie an verschiedenen Vorrichtungen eine Futterbelohnung ergattern. Den Haken mussten sie in einen Automaten werfen, damit dieser die Belohnung ausspuckte. Mit dem Stock konnten sie die Belohnung selbst aus einer Plastikröhre angeln. Und den Stein konnten sie in einer Apparatur auf eine Plattform werfen, die dadurch absank und die Belohnung freigab. Sechs der neun Vögel lernten den Einsatz aller drei Werkzeuge an den entsprechenden Vorrichtungen.
Schritt 2: Der Versuchsablauf
In einem nächsten Schritt präsentierten die Forschenden den Vögeln jeweils einzeln in einem Versuchsabteil eine Plastikröhre, die ein Stück Fleisch enthielt. Anschließend überführten sie das jeweilige Tier in ein benachbartes Abteil, aus dem es keinen Sichtkontakt zum ersten hatte. Nach fünf Minuten wurden ihm dort verschiedene Gegenstände präsentiert: Die drei bekannten Werkzeuge sowie zusätzlich ein Ball und ein Stück Apfel.
Sobald eine Krähe sich für einen der Gegenstände entschieden hatte, wurden die restlichen entfernt. Nach zehn weiteren Minuten wurde ein Zugang zum ersten Abteil geöffnet, wo sich immer noch die bestückte Plastikröhre befand. Hatte die Krähe sich zuvor für den Stock entschieden, konnte sie dort das Fleisch aus der Röhre fischen – und das steht bei Geradschnabelkrähen deutlich höher im Kurs als ein Stück Apfel. Tatsächlich lernten vier der sechs verbliebenen Vögel dem weniger präferierten Obst zu widerstehen und sich stattdessen mit dem richtigen Werkzeug für die zukünftige Chance zu wappnen. Dazu benötigten sie im Schnitt 22 Durchgänge.
Schritt 3: Der Test
Im Anschluss daran zeigte das Forschungsteam den Geradschnabelkrähen im ersten Abteil in insgesamt zehn Durchgängen abwechselnd die übrigen beiden Vorrichtungen. Hatten die Vögel das Prinzip des Versuchs verstanden? Würde es ihnen gelingen, vorab nun nicht mehr den Stock, sondern jeweils das Werkzeug zu wählen, das ihnen später nutzen würde?
Drei der vier verbliebenen Vögel absolvierten den Test mit Bravour: Hatten sie im ersten Abteil den Automaten gesehen, wählten sie im zweiten Abteil überwiegend den Haken. Stand im ersten Abteil die Apparatur mit der Plattform, entschieden sie sich im zweiten meist für den Stein. Eine der Krähen lag in neun der zehn Durchgänge richtig, die übrigen beiden jeweils in sieben.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Geradschnabelkrähen prinzipiell in der Lage sind, das passende Werkzeug für einen zukünftigen Einsatz auszuwählen. Gleichzeitig offenbaren sie aber auch erhebliche individuelle Unterschiede in Bezug auf den Trainings- und Testerfolg. Das ist an sich überhaupt nichts Ungewöhnliches. Interessant ist aber: Alle drei Vögel, denen das Planen für die Zukunft gelang, waren Weibchen. Ein Zufall? Das werden uns hoffentlich zukünftige Studien verraten.
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