Lange Hälse, kluge Köpfe: Giraffen können Mengen unterscheiden

Ob es um Nahrungsquellen, Sozialpartner oder Fressfeinde geht – es kann für Tiere viele Vorteile bieten, Mengen möglichst exakt zu unterscheiden. Eine aktuelle Studie hat diese Fähigkeit nun erstmals bei Giraffen nachgewiesen.

von Niklas Kästner

Im Fokus der Studie: Giraffen
Im Fokus der Studie: Giraffen (Foto: Alexas_Fotos via Pixabay, zugeschnitten)

Wo finde ich besonders viel Futter? Welche soziale Gruppe ist größer und bietet mir dadurch besseren Schutz vor Raubtieren? Die Fähigkeit, Mengen möglichst exakt zu unterscheiden, kann für Tiere von großem Vorteil sein. Während wir von einigen Arten wissen, dass sie dazu in der Lage sind, ist uns darüber bei vielen anderen bislang nichts bekannt. Dies gilt ganz besonders für Huftiere, die in der Forschung zu tierischen Denkleistungen generell nicht sehr stark vertreten sind. Eine aktuelle Studie hat die Fähigkeit zur Mengenunterscheidung nun erstmals bei einer nicht-domestizierten Huftierart nachgewiesen: Der Giraffe (Giraffa camelopardalis).

Die Studie

Ein Forschungsteam um die Wissenschaftler*innen Alvaro Caicoya und Federica Amici führte ein Experiment mit fünf erwachsenen Giraffen durch, die im Zoo Leipzig bzw. im Zoo Barcelona lebten. Die Tiere wurden jeweils von ihren Artgenossen separiert und konnten dann in verschiedenen Durchgängen zwischen zwei Tabletts mit Möhrenstückchen wählen. Das Nahrungsangebot unterschied sich dabei hinsichtlich der Anzahl an Stückchen und/oder ihrer Größe. Sobald die Giraffen sich für ein Tablett entschieden hatten, wurde das andere entfernt. Die Frage hinter diesem Versuch: Würden die Tiere häufiger das Tablett mit dem größeren Nahrungsangebot wählen?

Eine Szene aus dem Versuch: Die Giraffen wählten zwischen zwei Tabletts mit Möhrenstückchen (Foto: Àlvaro Caicoya, zugeschnitten)

Das Ergebnis

Die Giraffen bewiesen eindeutig, dass sie Mengen unterscheiden können. Hatten sie die Wahl zwischen unterschiedlich vielen Möhrenstückchen, präferierten die Tiere die größere Menge. Das war nicht nur bei sehr deutlichen Unterschieden (z.B. 1:6) der Fall, sondern auch bei recht kleinen (z.B. 3:4). Die Auswahl der größeren Menge gelang ihnen auch anhand der Größe der Stückchen: Sie bevorzugten sowohl 24 g als auch 12 g schwere Möhrenstücke gegenüber solchen, die nur 6 g wogen.

Erheblich schlechter schnitten die Giraffen allerdings ab, wenn sowohl die Größe als auch die Anzahl der Möhrenstückchen variierten: Boten die Wissenschaftler*innen ihnen auf einem Tablett drei 6 g schwere Stückchen an und auf dem anderen ein 24 g schweres, zeigten die Tiere keine Präferenz für die insgesamt größere Nahrungsmenge.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie belegen: Giraffen sind grundsätzlich in der Lage, Mengen zu unterscheiden. Gleichzeitig machen sie deutlich, wo die Tiere an ihre Grenzen stoßen. Dass Team um Caicoya und Amici erhofft sich, dass ihre Untersuchung andere Wissenschaftler*innen motiviert, die Denkleistungen von Giraffen – und ihrer ebenfalls wenig untersuchten Verwandten – genauer unter die Lupe zu nehmen.


Zur Fach-Publikation:
Caicoya, A. L.; Colell, M.; Holland, R.; Ensenyat, C. & Federica Amici (2020): Giraffes go for more: a quantity discrimination study in giraffes (Giraffa camelopardalis). Animal Cognition.

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