Gleich oder nicht? Wespen kennen den Unterschied

Eine aktuelle Studie zeigt: Feldwespen sind in der Lage, das abstrakte Konzept „gleich oder unterschiedlich“ anzuwenden. Die Tiere lernten, entweder gleiche oder ungleiche Farbenpaare zu meiden – und übertrugen diese Regel später auf Gerüche.

von Niklas Kästner

Eine Feldwespe
Feldwespen gehören zur 4000 Arten umfassenden Familie der Faltenwespen (Foto: Judy Gallagher via Flickr, Lizenz: CC BY 2.0, zugeschnitten)

Die Anwendung des Konzepts „gleich oder unterschiedlich“ gilt als recht anspruchsvolle kognitive Leistung. Woran liegt das?

Im Gegensatz zu Kategorien wie „Farbe“ oder „Geruch“ handelt es sich nicht um bestimmte Merkmale, die einem Objekt zukommen. Eine Flüssigkeit kann gelb sein und nach Essig riechen. Sie kann für sich genommen aber nicht „gleich“ oder „unterschiedlich“ sein – denn dabei geht es stets um das Verhältnis zwischen verschiedenen Objekten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Unterscheidung sich auf verschiedene Eigenschaften beziehen kann: Zwei Flüssigkeiten können gleich gefärbt sein, aber unterschiedlich riechen.

Lange ging man davon aus, dass nur Primaten die Fähigkeit besitzen, Dinge als „gleich“ oder „unterschiedlich“ zu bewerten. Inzwischen weiß man, dass unter anderem auch Delfine und Tauben dazu in der Lage sind. Eine aktuelle Studie der Forschenden Chloe Weise, Christian Ortiz und Elizabeth Tibbetts zeigt: Auch Feldwespen (Polistes fuscatus) gelingt es, das abstrakte Konzept anzuwenden.

Wespen im Training

Zu Beginn des Versuchs setzten die Forschenden Feldwespen wiederholt in eine Kammer, deren Wände mit jeweils zwei Farben markiert waren. Dabei gab es zwei verschiedene Bedingungen: Entweder befanden sich an allen Wänden Paare in derselben Farbe oder es befanden sich dort ausschließlich Paare aus unterschiedlichen Farben.

Die Forschenden brachten die Wespen dazu, eine dieser Bedingungen mit einer negativen Erfahrung zu verbinden: Manche Tiere erhielten stets in der Kammer mit den gleichen Paaren leichte Elektroschocks, aber nie in der Kammer mit den „unterschiedlichen“ Paaren – bei den übrigen Tieren war es genau umgekehrt.

Wespen im Test

Anschließend setzte das Team die Wespen in die Mitte einer Testarena, in der zwei gegenüberliegende Wände unterschiedlich markiert waren: An der einen befanden sich zwei Rechtecke in derselben Farbe, an der anderen zwei Rechtecke in unterschiedlichen Farben. Dabei verwendeten die Forschenden Farbtöne, die den Tieren in der Trainingsphase nicht begegnet waren. Wohin würden sich die Wespen bewegen?

Ihr Verhalten hing von ihren bisherigen Erfahrungen ab: Hatten die Tiere die Elektroschocks in der Kammer mit Paaren aus unterschiedlichen Farben erhalten, liefen sie deutlich häufiger zu den gleich gefärbten Rechtecken – und umgekehrt. Die Wespen hatten offenbar das „gleich oder unterschiedlich“-Konzept erlernt und wandten es auf die neuen Farben an.

Von Farben zu Gerüchen

Doch wären die Tiere auch in der Lage, dieses Konzept auf andere Eigenschaften als die Farbe zu übertragen? Um das zu überprüfen, präsentierten die Forschenden ihnen in einem zweiten Testlauf in der Arena an einem Ende zwei gleiche und am anderen Ende zwei unterschiedliche Gerüche. Und tatsächlich zeigten die Wespen auch in diesem Fall eine deutliche Präferenz: Sie bevorzugten die Seite mit den unterschiedlichen Gerüchen, wenn sie zuvor negative Erfahrungen mit gleichen Farbpaaren gemacht hatten – und die Seite mit den gleichen Gerüchten, wenn sie zuvor negative Erfahrungen mit unterschiedlichen Farbpaaren gemacht hatten.

Fazit

Die Studienergebnisse belegen: Feldwespen können lernen, das abstrakte Konzept „gleich oder unterschiedlich“ anzuwenden. Sie sind anhand ihrer Erfahrung mit bestimmten Farbkombinationen nicht nur in der Lage, unbekannte Farbenpaare zu klassifizieren, sondern können die Kategorisierung offenbar auch auf weitere Objekteigenschaften übertragen, die sie mit anderen Sinnen wahrnehmen. Eine beeindruckende kognitive Leistung, die zuvor erst bei einer anderen wirbellosen Tierart nachgewiesen wurde: Der Honigbiene.


Zur Fach-Publikation:
Weise, C.; Ortiz, C. C. & Tibbetts, E. A. (YYYY): Paper wasps form abstract concept of ‚Same and Different’. Proceedings of the Royal Society B 20221156.

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