Wenn zwei sich streiten: Wespen lernen aus den Konflikten anderer

Beobachtet man zwei Streithähne bei einem Konflikt, kann man viel über die Beteiligten lernen. Eine aktuelle Studie an Feldwespen beweist, dass sogar Insekten in der Lage sind, durch bloßes Zuschauen Informationen über zukünftige Kontrahenten zu gewinnen.

von Niklas Kästner

Wespen lernen durch die Beobachtung von Kämpfen
Die Studie wurde mit einer nordamerikanischen Feldwespenart durchgeführt (Foto: Hectonichus via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Wenn man die sozialen Interaktionen in seinem Umfeld aufmerksam verfolgt, kann man einiges über seine Artgenossen lernen: Wer ist eher friedlich? Vor wem sollte man sich besser in Acht nehmen? Aggressive Auseinandersetzungen vermitteln zudem einen Eindruck von der Kampfkraft der Kontrahenten. Eine aktuelle Studie an Feldwespen zeigt eindrucksvoll, dass auch Insekten in der Lage sind, zukünftige Gegner durch bloße Beobachtung von Konflikten einzuschätzen.

Die Studie

Ein Forschungsteam um die Wissenschaftlerin Elizabeth Tibbetts führte eine Untersuchung mit einer nordamerikanischen Feldwespenart (Polistes fuscatus) durch. Die Insekten leben in Kolonien, die häufig von mehreren Königinnen gegründet werden. Zwischen diesen besteht eine strenge lineare Rangordnung. Vor der Koloniegründung kommt es oft zu größeren Ansammlungen, bei denen die Tiere miteinander kämpfen. Bei den in der Untersuchung eingesetzten Wespen handelte es sich ausschließlich um Königinnen, die das Forschungsteam während der Nestgründungsphase im Freiland eingesammelt hatte.

In einem Experiment ließen Tibbetts und ihr Team einige der Tiere dabei zuschauen, wie zwei Kontrahentinnen miteinander kämpften. Publikum und Kämpferinnen waren dabei durch eine durchsichtige Absperrung getrennt. Anschließend wurde die Zuschauerinnen mit einer der zuvor beobachteten Kämpferinnen in eine Arena gesetzt. Das Verhalten der Tiere wurde gefilmt und anschließend ausgewertet.

Das beeindruckende Ergebnis: Je unterlegener eine Kämpferin im vorherigen Kampf war, desto aggressiver verhielt sich ihr gegenüber die Wespe, die dabei zugeschaut hatte. Das legt nahe, dass die Wespen die Kampfstärke eines bestimmten Tiers durch Beobachtung abschätzten – und ihr Verhalten entsprechend anpassten.

Eine wichtige Kontrolle

Allerdings gibt es auch eine andere mögliche Erklärung für das beobachtete Muster: Was, wenn die Kämpferinnen sich im zweiten Kampf anders verhielten – abhängig davon, welche Erfahrungen sie im ersten gemacht hatten? Eine Wespe, die zuvor unterlegen war, hielt sich vielleicht auch anschließend zurück und erfuhr dadurch mehr Aggression von der Zuschauerin.

Diese Möglichkeit konnten Tibbets und ihr Team durch eine Kontrollbedingung ausschließen. Sie setzten einen Teil der Zuschauerinnen mit einer Kämpferin zusammen, die sie zuvor nicht bei ihrem Kampf beobachtet hatten. Die Kämpferinnen begegneten also einer unvoreingenommenen Gegnerin. Es zeigte sich: Unter diesen Bedingungen hing der Verlauf der Auseinandersetzung keineswegs mit den Erfahrungen der Kämpferin im ersten Kampf zusammen.

Fazit

Durch den geschickten Kontrollversuch weist die Studie eindeutig nach: Die nordamerikanischen Feldwespen können allein durch die Beobachtung von Konflikten Informationen über einzelne Artgenossen gewinnen – und ihr eigenes Sozialverhalten daran anpassen. Das ist eine erstaunliche Denkleistung, die man bei einem Insekt noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten hätte.


Zur Fach-Publikation:
Tibbets, E. A.; Wong, E. & Bonello, S. (2020): Wasps use social eavesdropping to learn about individual rivals. Current Biology 30: 1-4.

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