Voreingenommene Pferde: Ponys entnehmen Videos soziale Informationen

Dass man auch durch die Erfahrungen anderer lernen kann, bewiesen Ponys in einer aktuellen Untersuchung: Sie verhielten sich fremden Personen gegenüber unterschiedlich – abhängig davon, wie diese zuvor in einem Video ein anderes Pferd behandelt hatten.

von Niklas Kästner

Ponys entnehmen Videos soziale Informationen
Ein Pony (Foto: Orangetails via Pixabay)

Man soll fremden Personen ja eigentlich unvoreingenommen begegnen. Das gelingt mir aber nicht immer. Wenn ich zum Beispiel in der Post warte, um ein Paket aufzugeben, und sehe, wie der Mann an Schalter 2 die Kund*innen recht nüchtern abfertigt, während der Mann an Schalter 6 auffallend freundlich ist – dann ertappe ich mich dabei, wie ich mir wünsche, dass ich zu Schalter 6 gerufen werde.

Auch manche Tiere sind in der Lage, soziale Informationen über andere zu sammeln, indem sie beobachten, wie diese sich Dritten gegenüber verhalten. Ob auch Pferde zu diesen Tieren gehören, untersuchte ein Team um die Wissenschaftlerinnen Miléna Trösch und Léa Lansade in einer aktuellen Studie. Dazu verwandelten sie eine geräumige Box in ein Pferde-Kino.

Das Experiment

Zunächst wurden 24 Welsh-Ponys daran gewöhnt, in der Box zu stehen, während an die Wand vor ihnen Filme von Pferden projiziert wurden. Anschließend wurden ihnen die Videos gezeigt, um die es im Experiment eigentlich ging. Auf einem davon sah man Person A, die ein Pferd striegelte, was dem Pferd offensichtlich gefiel (entspannte Haltung von Hals, Ohren und Lippen). Auf dem anderen Video sah man Person B, die einem Pferd eine Salbe an den Ohren verabreichte und ein Spray am Kopf, was dem Pferd ganz offensichtlich nicht gefiel (Kopfschütteln und Versuche, sich der Situation zu entziehen).

Während die Pferde diese Videos schauten, wurde ihr Verhalten beobachtet und ihre Herzfrequenz gemessen. Direkt im Anschluss kamen die beiden Personen als Menschen aus Fleisch und Blut in die Box und es wurde gemessen, wie oft die Pferde Kontakt aufnahmen, indem sie diese jeweils mit ihrem Maul bzw. ihren Nüstern berührten. Um einen Einfluss der generellen Charakteristika der Personen auf die Ergebnisse auszuschließen, war für die eine Hälfte der Pferde Person A die „freundliche“ Interaktionspartnerin auf den Videos, für die andere Hälfte Person B. Beide Personen waren Frauen.

Das Ergebnis

Die Ponys reagierten sehr unterschiedlich auf die beiden Videos. Sahen sie das Striegel-Video, bewegten sie die Lippen selbst wie während der Fellpflege und hatten im Vergleich zum Behandlungs-Video eine entspanntere Ohrenhaltung. Und während sich ihre Herzfrequenz beim Beobachten der Behandlung erhöhte, verringerte sich diese beim Beobachten des Striegelns sogar.

Tatsächlich verhielten sich die Ponys auch den beiden Personen gegenüber unterschiedlich, je nach deren Rolle im Video. Die Richtung der Ergebnisse war aber nicht so, wie man sie vielleicht erwartet hätte: Die Pferde berührten die Person, die das Pferd im Video behandelt hatte, häufiger als die Person, die es gestriegelt hatte. Wie ist dieses Ergebnis zu deuten? Die Autor*innen der Studie vermuten, dass es sich bei den intensiveren Berührungen um einen Versuch der Beschwichtigung handeln könnte.

Fazit

Auch wenn die Reaktion der Ponys auf die Personen nicht eindeutig zu interpretieren ist, zeigt der Versuch klar: Pferde gewinnen und nutzen soziale Informationen durch das Beobachten von Interaktionen zwischen anderen. Die Tiere haben deutlich zwischen den beiden Personen unterschieden, abhängig von deren Verhalten im Video. Was heißt das für die Pferdehaltung? Die Wissenschaftler*innen empfehlen, unangenehme Maßnahmen möglichst so durchzuführen, dass andere Pferde diese nicht beobachten können. Das klingt vernünftig – zumindest, wenn man möchte, dass die Tiere einem zukünftig noch unvoreingenommen begegnen.


Zur Fach-Publikation:
Trösch, M.; Pellon, S.; Cuzol, F.; Parias, C.; Nowak, R.; Calandreau, L. & Lansade, L. (2020): Horses feel emotions when they watch positive and negative horse–human interactions in a video and transpose what they saw to real life. Animal Cognition.

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