Pferde und Menschen verbindet oftmals eine besondere Beziehung. Eine aktuelle Studie wies nach, dass die Tiere sogar das Gesicht einer vertrauten Person auf Fotos erkennen – auch ein halbes Jahr nach ihrer letzten Begegnung.
Viele Tiere sind in der Lage, ihre Artgenossen individuell zu erkennen und sich über längere Zeiträume an sie zu erinnern. Diese Fähigkeit kann lebenswichtig sein – insbesondere bei Arten, die in sozialen Verbänden leben. Denn sie ermöglicht ihnen, sich gezielt an Erfahrungen mit bestimmten Individuen zu erinnern und wertvolle Beziehungen zu einigen von ihnen zu knüpfen.
Tiere identifizieren einander üblicherweise anhand von verschiedenen geruchlichen, akustischen und visuellen Merkmalen. Wie wir Menschen erkennen viele Tiere ihre Artgenossen allerdings auch allein an ihren Gesichtern – darunter manche Affen, aber auch Schafe, Rinder und Tauben. Deutlich weniger ist darüber bekannt, ob Tiere auf diese Weise auch Individuen anderer Arten unterscheiden können. In einer aktuellen Studie zeigte ein Forschungsteam um Léa Lansade und Ludovic Calandreau, dass Pferde (Equus caballus) das Gesicht ihrer Pflegerin auf einem Foto erkennen – und das sogar sechs Monate nach dem letzten Kontakt zu ihr.
Das Training
Zur Vorbereitung auf den eigentlichen Versuch trainierte das Team elf Stuten in mehreren Schritten, anhand von Fotos zwischen „bekannten“ und „unbekannten“ Personen zu unterscheiden. Dafür präsentierten die Forscher*innen ihnen auf zwei Bildschirmen Fotos von Frauen. Zunächst waren alle Frauen den Tieren unbekannt. Manche Fotos wurden allerdings wiederkehrend eingeblendet und die darauf abgebildeten Personen dadurch „bekannt“. So ließen die Wissenschaftler*innen die Pferde jeweils zwischen einer „bekannten“ und einer „unbekannten“ Person wählen. Die Tiere konnten sich für eines der beiden Bilder entscheiden, indem sie mit ihrer Nase den entsprechenden Bildschirm berührten. Wählten sie das Foto einer Frau, die sie zuvor bereits auf einem Bildschirm erblickt hatten, erhielten sie eine Futterbelohnung. Andernfalls blieb die Belohnung aus.
Am Ende erreichten alle elf Tiere das Lernziel: In mindestens drei von vier Fällen berührten sie den Bildschirm mit dem „bekannten“ Gesicht. Dieses Ergebnis allein ist bereits erstaunlich, denn es zeigt, dass Pferde menschliche Gesichter anhand von Fotos individuell erkennen können.
Der Test
Aber erkennen die Tiere auch das Gesicht eines Menschen, den sie ausschließlich aus ihrer täglichen Umgebung und nicht von Fotos kennen? Dieser Frage gingen die Forscher*innen im nächsten Versuchsschritt auf den Grund. Dafür wiederholten sie den Ablauf des vorherigen Trainings mit einer kleinen Änderung: In einigen Durchgängen zeigte einer der Bildschirme anstelle eines Fotos einer zuvor „bekannt“ gewordenen Person das Foto einer Pflegerin der Tiere. Der andere zeigte weiterhin das Foto einer „unbekannten“ Person. Wie würden sich die Tiere in diesem Fall entscheiden? Das Ergebnis war bemerkenswert: Zu durchschnittlich etwa 70 Prozent berührten die Stuten den Bildschirm mit dem Gesicht ihrer Pflegerin! Sie ordneten das Foto also als „bekannt“ ein – ein Beleg dafür, dass sie die darauf abgebildete vertraute Person erkannten.
Ein anschließender Test gab zusätzlich Aufschluss über das Erinnerungsvermögen der Pferde. Der Ablauf blieb dabei unverändert – abgesehen davon, dass in diesem Fall das Foto einer Pflegerin zum Einsatz kam, zu der die Tiere seit sechs Monaten keinen Kontakt mehr hatten. Die Wissenschaftler*innen notierten eine nicht weniger beachtliche Leistung: Die Stuten entschieden sich erneut zu durchschnittlich etwa 70 Prozent für das Gesicht der ehemaligen Pflegerin.
Fazit
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Pferde eine ihnen bekannte Person anhand eines Fotos erkennen – und das sogar lange Zeit nach ihrer letzten Begegnung. Damit liefert die Studie einen wissenschaftlichen Beleg dafür, was viele Menschen mit engem Kontakt zu Pferden wahrscheinlich längst wissen: Die Tiere können sich auch nach Monaten noch an bekannte Gesichter erinnern.
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