Feinfühlige Begleiter: Bei Begegnungen mit Fremden orientieren sich Hunde am Verhalten ihrer Bezugsperson

Die meisten Hunde haben ein besonderes Gespür für die Emotionen ihrer Bezugspersonen. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie bestätigen, dass sie anhand dieser Signale auch ihr Verhalten gegenüber fremden Menschen anpassen.

von Tobias Zimmermann

Bei Begegnungen mit Fremden orientieren sich Hunde an ihrer Bezugsperson
Bei Begegnungen mit Fremden orientieren sich Hunde an ihrer Bezugsperson (Foto: Helena Sushitskaya via Pixabay)

In unbekannten Situationen orientieren wir uns oftmals unbewusst an emotionalen Signalen anderer. Auf diese Weise kann die Körpersprache unserer Mitmenschen unsere Reaktionen nachhaltig beeinflussen. Dieses Verhalten wird als „soziale Referenzierung“ (engl. social referencing) bezeichnet und entwickelt sich bei uns Menschen bereits im Verlauf des ersten Lebensjahres. Es bringt den großen Vorteil, dass wir zum Beispiel gefährliche Situationen erkennen können, ohne diese zuvor selbst erlebt zu haben.

In den letzten Jahrzehnten wurde vermehrt nachgewiesen, dass auch einige Tiere menschliche Emotionen wahrnehmen können. Insbesondere Hunde sind in der Lage, gezielt auf die Körpersprache und das Verhalten von Menschen zu reagieren. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass ihre Reaktion auf fremde Menschen entscheidend davon abhängt, welche Emotionen ihre Bezugsperson gegenüber diesen zeigt.

Die Studie

Ein Forschungsteam um Attila Salamon und Márta Gácsi untersuchte in zwei Experimenten, wie die Reaktion von Hundehalter*innen das Verhalten ihrer Tiere bei Begegnungen mit einer fremden Person beeinflusst. Dazu beobachteten die Forscher*innen Hunde verschiedener Rassen unter zwei unterschiedlichen Bedingungen: Die Bezugspersonen der Tiere reagierten auf die fremde Person entweder abweisend oder wohlgesonnen. Dabei blickten sie ausschließlich zur fremden Person und sprachen ihre Hunde nicht an.

Hunde reagieren auf Bezugsperson

Im ersten Experiment saß die Bezugsperson in der Mitte eines Raums auf einem Stuhl. Zunächst durfte jeder Hund die Umgebung für zwei Minuten erkunden, dann hielt die Person ihn am Halsband. Zu Beginn des eigentlichen Versuchs betrat eine Frau den Raum, die den Tieren nicht bekannt war. Sobald der Hund sie erblickt hatte, bewegte sie sich langsam auf ihn zu. Zeitgleich gab die Bezugsperson das Tier frei und zeigte die zuvor festgelegte Reaktion: auf die herannahende Frau. Die abweisenden Bezugspersonen lehnten sich von der Frau weg und sprachen sie misstrauisch an (z. B. „Was wollen sie von mir? Kommen Sie nicht näher!“). Die wohlgesonnenen Bezugspersonen lehnten sich in ihre Richtung und sprachen sie in hoher Tonlage freundlich an (z. B. „Hallo! Schön Sie zu sehen!“). Währenddessen beobachteten die Wissenschaftler*innen das Verhalten des Hundes.

Wie erwartet beeinflusste die Reaktion der Bezugspersonen das Verhalten der Tiere: Die abweisende Haltung veranlasste die Hunde, ihre „Herrchen“ oder „Frauchen“ länger anzuschauen und sich mehr in ihrer Nähe aufzuhalten. Das Verhalten gegenüber der fremden Person schien davon allerdings nicht betroffen zu sein: In beiden Bedingungen näherten sich über 80 Prozent der Hunde der fremden Person.

Eine Szene aus dem Versuch – der Hund scheint skeptisch zu sein (Foto: Attila Salamon)

Hunde verändern Verhalten gegenüber fremder Person

Das zweite Experiment führten die Wissenschaftler*innen in einer größeren Halle durch. Die Idee dahinter: Die weiteren Distanzen würden den Hunden mehr Zeit verschaffen, die Situation einzuschätzen. Eine weitere Veränderung war, dass die Bezugspersonen ihre Reaktionen dieses Mal im Stehen zeigten – und auch ihre Körpersprache deutlicher ausfiel: Bei der abweisenden Reaktion entfernten sie sich einen Schritt von der fremden Person, bei der wohlgesonnenen Reaktion gingen sie einen Schritt darauf zu.

Auch hier hatte das Verhalten der Bezugsperson Konsequenzen: Die abweisende Reaktion bewirkte, dass die Hunde vermehrt hinter ihr in Deckung gingen. Doch nicht nur das: Unter den veränderten Bedingungen unterschied sich auch das unmittelbare Verhalten gegenüber der fremden Person! Bei der wohlwollenden Reaktion näherten sich 74 Prozent der Hunde der fremden Person, bei der abweisenden lediglich 16 Prozent.

Fazit

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Bezugspersonen das Verhalten ihres Hundes gegenüber einer fremden Person maßgeblich beeinflussen. Es spricht vieles dafür, dass die Tiere sich dabei an den emotionalen Signalen ihrer Bezugsperson orientieren. Dies unterstreicht einmal mehr die enge Verbindung zwischen Mensch und Hund, die sich im Laufe des jahrtausendelangen Zusammenlebens entwickelt hat.


Zur Fach-Publikation:
Salamon, A.; Száraz, J.; Miklósi, Á. & Gácsi, M. (2020): Movement and vocal intonation together evoke social referencing in companion dogs when confronted with a suspicious stranger. Animal Cognition.

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