Kuckuck-Weibchen „zählen“ die Eier im Nest ihrer Wirte

Kuckuck-Weibchen versuchen, ihre Eier möglichst früh während der Legeperiode anderer Vögel in deren Nest zu schmuggeln. Bisher war nicht klar, wie sie den optimalen Zeitpunkt bestimmen. Eine aktuelle Studie zeigt: Sie orientieren sich an der Anzahl bereits vorhandener Eier.

von Niklas Kästner

Ein Kuckuck
Ein Kuckuck (Foto: Mike McKenzie via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 2.0)

Der Kuckuck (Cuculus canorus) ist besonders bekannt für seine außergewöhnliche Fortpflanzungsstrategie: Er betreibt Brutparasitismus. Kuckuck-Weibchen legen ihre Eier einzeln in die Nester kleinerer Singvogelarten, die dann für sie die Brutpflege übernehmen.

Die Legeperiode der Wirtvögel kann sich über einige Tage erstrecken und sie beginnen erst mit dem Brüten, wenn sie bereits einige Eier gelegt haben. Schon lange ist bekannt, dass Kuckuck-Weibchen die Nester beobachten und ihr Ei meistens sehr früh während dieser Phase im Nest unterbringen. Das hat zum einen den Vorteil, dass die unfreiwilligen Adoptiveltern noch nicht dauerhaft am Nest sind. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, bei der heimlichen Eiablage entdeckt zu werden. Zum anderen verbessert es die Entwicklungschancen für den kleinen Kuckuck: Je früher er im Vergleich zu seinen „Geschwistern“ schlüpft, desto leichter kann er diese aus dem Nest befördern. Da er den Singvogeleltern schon bald über den Kopf wächst, braucht er jede Menge Futter – und daher ihre ganze Aufmerksamkeit.

Aber wie bestimmen die Kuckuck-Weibchen den optimalen Legezeitpunkt? Orientieren sie sich am Verhalten der Wirtvögel am Nest oder „zählen“ sie die bereits gelegten Eier? Dieser Frage ist ein Forschungsteam um die Wissenschaftler Longwu Wang und Anders Pape Møller in einer aktuellen Studie nachgegangen.

Die Studie

Lang und sein Team führten ihre Untersuchungen in einem Naturreservat in China durch, wo der Kuckuck vor allem Nester des Chinarohrsängers parasitiert (Acrocephalus orientalis). Zunächst analysierten sie 200 Eiablagen von Kuckucken, die sie in einem Zeitraum von acht Jahren beobachtet hatten. Die Auswertung bestätigte die Erwartungen: Drei Viertel der Kuckuckseier wurden als zweites (46 Prozent) oder als drittes Ei (26 Prozent) ins Nest gelegt.

Um ihrer eigentlichen Fragestellung nachzugehen, führten die Forschenden dann ein simples, aber sehr aufschlussreiches Experiment durch. Während der Brutzeit platzierten sie in direkter Nähe zu besetzen Nestern von Chinarohrsängern vier Nester aus dem Vorjahr. Eins davon war leer, in die drei übrigen legten sie Kunsteier: eins enthielt ein Ei, eins drei Eier und das andere fünf Eier. Darüber montierten sie Videokameras. Die Nester brachten sie etwas höher an als das derzeit besetzte: So hoffen sie, dass die Kuckucke sich entschieden, ihr Ei in eins der vier besser zu erreichenden Nester legten.

Das Ergebnis

Tatsächlich gelang es dem Team im Verlauf von vier Jahren 32 Mal, ein Kuckuck-Weibchen bei der Eiablage in eins der vier Nester zu filmen. Das Ergebnis dieses Wahlversuchs war eindeutig: In 25 Fällen entschieden sich die Weibchen für das Nest mit einem Kunstei. Nur äußerst selten wählten sie eins der anderen Nester. Da das Verhalten der Chinarohrsänger für die Entscheidung der Kuckucke keine Rolle gespielt haben kann, erlaubt der Ausgang des Experiments einen klaren Schluss: Für die Vögel war die Anzahl der Eier im Nest entscheidend.

Aber wenn es gilt, die Eier so früh wie möglich im Nest unterzubringen – warum legen die Kuckuck-Weibchen sie nicht einfach als erstes? Wang und sein Team nennen zwei mögliche Gründe dafür, dass das so selten vorkommt. Für gewöhnlich entfernen die Kuckucke ein Ei aus dem Nest, bevor sie eines hinzufügen – so können die Wirte den „Betrug“ nicht an der Anzahl der Eier erkennen. Diese Taktik geht aber natürlich nicht auf, wenn sich noch gar kein Ei im Nest befindet. Darüber hinaus ist ein Ei im Nest ein gutes Zeichen dafür, dass das Nest wirklich genutzt und das Kuckucksei somit auch tatsächlich bebrütet wird.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie bestätigen: Kuckuck-Weibchen bringen ihr Ei bevorzugt dann im Nest ihrer Wirte unter, wenn diese gerade mit dem Legen begonnen haben. Der Wahlversuch zeigt, dass sie sich dabei an der Anzahl bereits vorhandener Eier orientieren. Ob ihnen außerdem auch das Verhalten der Wirte Anhaltspunkte bietet, lässt sich durch den Versuch zwar nicht klar sagen. Notwendig scheint es für die Entscheidung der Kuckuck-Weibchen aber nicht zu sein.


Zur Fach-Publikation:
Wang, L.; Yang, C.; He, G. Liang, W. & Møller, A. P. (2020): Cuckoos use host egg number to choose host nests for parasitism. Proceedings of the Royal Society B 287: 20200343.

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