Auch Tiere nutzen ihre Körperhälften nicht immer gleichmäßig – entsprechend der Links- und Rechtshändigkeit bei uns Menschen. Eine aktuelle Studie zeigt: Zebrabärblinge, die ihr Spiegelbild vornehmlich mit dem linken Auge betrachten, haben eine schwächere Impulskontrolle als ihre „rechtsäugigen“ Artgenossen.
Menschen benutzen ihre beiden Arme und Beine selten gleichmäßig: Es gibt Rechts- und Linkshänder ebenso wie Rechts- und Linksfüße. Man spricht bei einer solchen Präferenz für eine Körperseite auch von „lateralisiertem Verhalten“. Tatsächlich findet man dieses Phänomen auch bei Tieren: Manche Individuen greifen bevorzugt mit der rechten oder linken Pfote nach Futter. Andere drehen sich auffallend häufig rechts- oder linksherum. Und bei Arten, deren Augen sich seitlich am Kopf befindlichen, kommen auch diese oft nicht gleichmäßig zum Einsatz (im Folgenden als „Äugigkeit“ bezeichnet).
Das lateralisierte Verhalten geht einher mit einer Asymmetrie des Gehirns – jede Körperhälfte wird jeweils von einer Hirnhälfte gesteuert. Interessanterweise besteht diese Asymmetrie auch bei Denkprozessen und der Verarbeitung von Emotionen: Hier sind ebenfalls nicht beide Hirnhälften in gleichem Maße beteiligt. So erklärt man sich, dass bei vielen Tierarten bestimmte Persönlichkeitsmerkmale oder Denkleistungen damit zusammenhängen, welche Körperhälfte sie bei einzelnen Verhaltensweisen bevorzugt nutzen – weil beides in den Zuständigkeitsbereich der gleichen Hirnhälfte fällt.
Eine aktuelle Studie stellte nun erstmals einen Zusammenhang zwischen lateralisiertem Verhalten und der Impulskontrolle von Tieren her. Zebrabärblinge (Danio rerio), die ihr Spiegelbild bevorzugt mit dem linken Auge betrachteten, versuchten ausdauernder an ein für sie unerreichbares Beutetier zu gelangen.
Linksäugige und Rechtsäugige Fische
Das Forschungsteam um Tyrone Lucon-Xiccato und Cristiano Bertolucci setzte 15 männliche und 13 weibliche Zebrabärblinge für zwanzig Minuten einzeln in Aquarien mit verspiegelten Wänden. Die Fische interessierten sich sehr für ihr Spiegelbild. Von Zebrabärblingen ist nicht bekannt, dass sie sich im Spiegel erkennen – sie hielten ihr Spiegelbild also vermutlich für einen Artgenossen. Die Forscher*innen beobachteten, wie lange sie ihr Gegenüber mit dem rechten bzw. dem linken Auge betrachteten.
Tatsächlich setzten viele der Fische ihre Augen nicht gleichmäßig ein: Manche schwammen bevorzugt mit der rechten Körperhälfte zum Spiegel, andere mit der linken. Dabei unterschieden sie sich in der Stärke ihrer Präferenz für eine Körperseite und das dort liegende Auge.
Äugigkeit und Impulskontrolle
In einem weiteren Schritt des Experiments präsentierten die Wissenschaftler*innen den Fischen in ihren Aquarien einen Glaszylinder, in dem sich eine – für die Fische unerreichbare – Beute befand (ein Salzkrebschen). Für 20 Minuten zählten sie, wie oft die Fische versuchten, das Beutetier zu schnappen. Je mehr Attacken ein Tier trotz der gläsernen Barriere ausführte, desto geringer seine Impulskontrolle.
Das Ergebnis: Im Schnitt attackierten die Fische den Zylinder 106 Mal. Jedoch gab es große Unterschiede zwischen den Individuen – und diese hingen stark mit deren Äugigkeit zusammen: Je mehr die Tiere ihr Spiegelbild mit dem linken Auge betrachtet hatten, desto häufiger attackierten sie die unerreichbare Beute – und umgekehrt.
Fazit
Die Studie zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Präferenz der Fische für ein Auge beim Betrachten eines Artgenossen und ihrer Impulskontrolle beim Fressen. Wie genau sich das faszinierende Phänomen erklären lässt, bleibt zwar unklar. Bei einem solch jungen Forschungsfeld wie der Untersuchung von lateralisiertem Verhalten bei Tieren ist das aber nicht anders zu erwarten – und das Ergebnis bietet spannende Fragestellungen für zukünftige Studien auch an anderen Arten.
Zur Fach-Publikation:
Lucon-Xiccato, T.; Montalbano, G.; Dadda, M. & Bertolucci, C. (2020): Lateralization correlates with individual differences in inhibitory control in zebrafish. Biology Letters 16: 20200296.
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