Buntbarsch-Männchen beschenken fremde Weibchen mit Futter – es sei denn, ihre Partnerin ist anwesend

In einer aktuellen Studie verhalfen männliche Zebrabuntbarsche ihren Partnerinnen spontan und uneigennützig zu Nahrung. Auch fremden Weibchen gegenüber zeigten sie sich äußerst spendabel – allerdings nur, wenn sie mit diesen allein waren.

von Niklas Kästner

Zebrabuntbarsche beschenken fremde Weibchen mit Futter.
Ein Zebrabuntbarsch (Foto: S. Olkowicz via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY 2.5)

Das menschliche Zusammenleben zeichnet sich durch ein hohes Maß an „proaktiver Prosozialität“ aus. Selbst wer diesen Fachbegriff nicht kennt, dürfte mit dem dahintersteckenden Phänomen vertraut sein: Wir helfen unseren Mitmenschen, auch ohne dass sie uns darum bitten.

Der Grad unserer spontanen Hilfsbereitschaft wird allerdings von der Beziehung zu unserem Gegenüber beeinflusst – und von der Tatsache, wer uns gerade zuschaut. Eine aktuelle Studie zeigt: Das ist bei manchen Fischen nicht anders.

Die Studie

Ein Forschungsteam um Shun Satoh und Masanori Kohda untersuchte die Hilfsbereitschaft männlicher Zebrabuntbarsche (Amatitlania nigrofasciata). Die Wissenschaftler*innen verwendeten dazu einen Versuchsaufbau, der in ähnlicher Form auch bei Primaten eingesetzt wird. Die grundlegende Idee: Ein Tier kann wiederholt zwischen zwei Orten mit der gleichen Menge Futter wählen. Wann immer sich das Tier für Ort 1 entscheidet, erhält ein Artgenosse in Sichtkontakt ebenfalls Futter. Wann immer es sich für Ort 2 entscheidet, geht sein Artgenosse leer aus.

Wählt das Tier überwiegend Ort 1, verhält es sich prosozial: Es verschafft seinem Gegenüber spontan und uneigennützig einen Vorteil. Wählt das Tier hingegen überwiegend Ort 2, verhält es sich antisozial: Es verweigert dem Artgenossen gezielt seine Hilfe.

Konkret stellten die Forscher*innen zwei Aquarien aneinander. Im Testaquarium befanden sich zwei kleine Behälter mit Futter, die mit unterschiedlich markierten Schiebetüren verschlossen waren. Die Türen beider Behälter öffneten sich gleichzeitig und der Fisch im Testaquarium konnte sich für eine Seite entscheiden. Nur wenn er sich für einen bestimmten Behälter entschied, gaben die Forscher*innen Futter ins benachbarte Aquarium.

Nachdem sich die männlichen Buntbarsche an das Testaquarium gewöhnt hatten, ließ das Team sie an zehn Tagen jeweils neunmal täglich zwischen den Futterbehältern wählen. Je nach Bedingung befand sich währenddessen im Nachbaraquarium die Partnerin der Fische, ein Männchen, oder ein fremdes Weibchen.

Männchen verhalten sich prosozial gegenüber ihrer Partnerin – und antisozial gegenüber Geschlechtsgenossen

Zebrabuntbarsche, deren Partnerin sich während der Testphase im Nachbaraquarium befand, wählten tatsächlich bevorzugt den Behälter, der auch ihrem Weibchen zu Futter verhalf. Völlig anders fiel ihre Wahl hingegen aus, wenn sich im Nachbaraquarium ein anderes Männchen befand: Sie fraßen bevorzugt aus dem Behälter, bei dem der Artgenosse leer ausgingen.

Die Fische verhielten sich also je nach Gegenüber pro- oder antisozial. Die Wissenschaftler*innen vermuten, dass dabei die soziale Organisation der Zebrabuntbarsche eine Rolle spielt. Bei dieser Art betreiben beide Elterntiere gemeinsam Brutpflege. Sie verteidigen den Bereich um ihr Nest gegen Eindringlinge und graben nach Nahrung für die Jungtiere. Das Wohlergehen des Weibchens ist also auch für den Fortpflanzungserfolg des Männchens von großer Bedeutung – und es verbessert sich durch zusätzliche Nahrung. Männchen hingegen stellen mögliche Konkurrenten dar, und entsprechend könnte es sich für die Buntbarsche lohnen, sie nicht durch „Futterspenden“ zu stärken.

Anwesenheit der Partnerin beeinflusst Verhalten gegenüber fremden Weibchen

Interessanterweise zeigten sich die Männchen auch fremden Weibchen gegenüber äußerst spendabel. Das ist zunächst überraschend – denn verpartnerte Zebrabuntbarsche reagieren auf diese für gewöhnlich eher aggressiv.

Allerdings befanden sich die Fische während der Versuchsphase über Tage hinweg allein im Testaquarium – es kann also gut sein, dass sie im fremden Weibchen eine mögliche neue Partnerin sahen und sich deswegen so hilfsbereit verhielten. Dazu passt, dass sich ihr Verhalten grundlegend änderte, wenn ihre Partnerin anwesend war. Setzten die Wissenschaftler*innen diese in ein drittes Wasserbecken mit Sichtkontakt zum Testaquarium, verhielten die Männchen sich dem fremden Weibchen gegenüber antisozial – und wählten am häufigsten den Behälter, durch den es leer ausging.

Fazit

Die faszinierenden Ergebnisse zeigen: Zebrabuntbarsche verschaffen manchen erwachsenen Artgenossen spontan und uneigennützig Vorteile – und verweigern anderen gezielt ihre Hilfe. Das ist der erste Nachweis für ein solches Verhalten bei einer Fischart.

Die Hypothese der Forschenden, dass die gemeinsame Brutpflege von Männchen und Weibchen die Entstehung der Prosozialität begünstigte, ist plausibel. Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass auch weibliche Zebrabuntbarsche sich ihren Partnern gegenüber hilfsbereit zeigen – ob das tatsächlich zutrifft, ist eine spannende Frage für weitere Untersuchungen.


Zur Fach-Publikation:
Satoh, S.; Bshary, R.; Shibasaki, M.; Inaba, S.; Sogawa, S.; Hotta, T.; Satoshi, A. & Kohda, M. (2021): Prosocial and antisocial choices in a monogamous cichlid with biparental care. Nature Communications 12: 1775.

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