Gefiederte Wächter: Alarmrufe von Madenhackern warnen Nashörner vor Menschen

Die größte Bedrohung für Nashörner ist die Bejagung durch den Menschen. Eine aktuelle Studie an Spitzmaulnashörnern zeigt: Die Alarmrufe von Madenhackern helfen den Tieren, eine sich nähernde Person frühzeitig zu entdecken.

von Niklas Kästner

Madenhacker warnen Nashörner
Ein Spitzmaulnashorn (Foto: Charles J. Sharp via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Madenhacker sind auf vielen der großen afrikanischen Pflanzenfresser anzutreffen. Dort ernähren sie sich von Zecken und anderen Parasiten. Allerdings bedienen sie sich manchmal auch an Fleisch und Blut von Wunden der Tiere und halten diese dadurch offen. Es ist daher nicht klar, ob die Säugetiere unterm Strich von der Anwesenheit der Vögel profitieren. 

Eine aktuelle Studie an Spitzmaulnashörnern (Diceros bicornis) und Rotschnabel-Madenhackern (Buphagus erythrorhynchus) zeigt, dass die Vögel auch über das Entfernen von Parasiten hinaus von Nutzen sein können: Sie warnen Nashörner frühzeitig vor ihrem größten Feind – dem Menschen.

Das Experiment

Die Forscher Roan Plotz und Wayne Linklater führten dazu ein Experiment an elf wildlebenden Spitzmaulnashörnern im Hluhluwe-Imfolozi Park in Südafrika durch. Die Tiere waren mit Radio-Transmittern versehen, und konnten dadurch von den Forschern leicht lokalisiert werden. Dass Spitzmaulnashörner für gewöhnlich einzeln unterwegs sind, war für das Experiment von Vorteil.

Mit Hilfe eines Teleskops wurde zunächst festgestellt, ob ein aufgespürtes Tier von Madenhackern besetzt war, und wenn ja, von wie vielen. Dann näherte sich einer der Forscher dem Nashorn zu Fuß und mit gleichmäßiger Geschwindigkeit von der Seite an, bis es auf ihn aufmerksam wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde mit einem Laser-Messgerät die Distanz zwischen Mensch und Nashorn ermittelt. In den Fällen, in denen ein Tier den Forscher auch bei einer Entfernung von nur noch etwa 20 Metern nicht bemerkte, wurde der Durchlauf aus Sicherheitsgründen beendet.

Innerhalb von dreizehn Monaten wiederholten die Forscher diesen Ablauf 86 Mal. Dabei wählten sie stets zufällig eins der elf besenderten Nashörner aus. In 38 Durchläufen waren dabei Madenhacker auf dem entsprechenden Tier anwesend, in 48 Durchläufen nicht.

Das Ergebnis

Die Anwesenheit von Madenhackern hatte enorme Auswirkungen darauf, ob und wann die Nashörner den Forscher bemerkten. In allen 38 Durchläufen mit Madenhackern wurde der Forscher entdeckt. Im Schnitt geschah dies bereits bei einer Entfernung von 61 Metern. In jedem dieser Durchläufe hatte unmittelbar zuvor einer der Vögel einen Alarmruf abgegeben. Die Anzahl der anwesenden Madenhacker war dabei entscheidend: Mit jedem zusätzlichen Vogel entdeckte ein Nashorn den sich nähernden Forscher durchschnittlich 9 Meter früher.

Ein ganz anderes Bild ergab sich, wenn die Tiere nicht von Madenhackern besetzt waren. In diesem Fall entging den Tieren in 37 der 48 Durchläufen die Anwesenheit des Forschers, bevor der Versuch abgebrochen werden musste. Bei den wenigen Durchläufen, in denen er bemerkt wurde, hatte er sich im Durchschnitt schon bis auf 27 Meter genähert.

Interessant war auch die Reaktion der Nashörner. Wurden sie durch einen Alarmruf der Madenhacker aufmerksam, drehten sie sich zunächst fast alle gegen den Wind, unabhängig davon, von wo der Forscher kam. Sie schauten auf die Warnung der Vögel hin also genau in die Richtung, aus der sich normalerweise ein menschlicher Jäger nähern würde. In den Fällen, in denen ein Tier den Forscher selbst bemerkte, zeigte es dieses Verhalten nicht – es wusste ja bereits, wo sich dieser befand.

Eine interessante Beobachtung

Aber gelingt es den Nashörnern tatsächlich, sich dank der Warnungen der Madenhacker vor Menschen zu verbergen? Eine weitere Beobachtung der Forscher weist darauf hin. Im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit im Hluhluwe-Imfolozi Park spürten sie in einem Zeitraum von insgesamt etwa zwei Jahren immer wieder Spitzmaulnashörner auf. Darunter waren nicht nur die besenderten (und daher zuverlässig zu findenden) Tiere aus dem Experiment, sondern auch unbesenderte Tiere. Bei jeder Entdeckung eines Nashorns wurde notiert, ob es von Madenhackern besetzt war oder nicht.

Als die Forscher die Daten analysierten, stellten sie fest: Nashörner, die sie entdeckten, obwohl sie keinen Sender trugen, waren im Vergleich mit den besenderten Tieren wesentlich häufiger ohne Vögel unterwegs. Das legt nahe, dass viele der unbesenderten Tiere mit Madenhackern sich vor ihnen verstecken konnten – vermutlich weil sie rechtzeitig gewarnt wurden.

Warum warnen die Madenhacker?

Warum geben die Vögel überhaupt Alarmrufe ab, wenn sie Menschen entdecken? Dafür haben die Forscher zwei mögliche Erklärungen. Einerseits könnte es sein, dass die Alarmufe eigentlich die anderen Madenhacker davor warnen sollen, dass das Nashorn sich wegen des Menschen bald in Bewegung setzen könnte. Dazu passt, dass die Vögel auf die Alarmrufe ihrer Artgenossen reagieren, indem sie sich von „gefährlicheren“ Bereichen an Bauch oder Beinen auf den Rücken eines Tiers bewegen. Andererseits könnte es sich aber auch um eine zwischenartliche Kooperations-Strategie handeln: Die Madenhacker warnen die Nashörner, damit sie toleriert werden, obwohl sie sich manchmal an deren Wunden bedienen. Welche der Hypothesen zutrifft, oder ob vielleicht sogar beide eine Rolle spielen, lässt sich ohne weitere Versuche nicht entscheiden.

Fazit

Nashörner haben von den Raubtieren in ihrer Heimat wenig zu befürchten. Selbst gegen Löwen und Hyänen können sie sich wehren. Doch ihre Körperkraft und ihre Hörner helfen ihnen nicht im Kampf gegen Menschen, die aus sicherer Entfernung schießen. Die einzige Chance ist in diesem Fall, die Bedrohung möglichst schnell zu entdecken und ihr rechtzeitig zu entkommen. Die frühzeitige Warnung durch die Alarmrufe von Madenhackern könnte ihnen in dieser Hinsicht einen entscheidenen Vorteil bieten.


Zur Fach-Publikation:
Plotz, R. D. & Linklater, W. L. (2020): Oxpeckers help rhinos evade humans. Current Biology 30: 1-5.

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