Während Fohlen in der Pferdezucht ihre Väter nur selten zu Gesicht bekommen, wachsen sie in wildlebenden Herden mit ihnen auf. Eine aktuelle Studie berichtet von außergewöhnlich engen sozialen Kontakten zwischen Hengsten und Fohlen.
Die Rolle des Hengstes in der Pferdezucht beschränkt sich für gewöhnlich auf die des Samenspenders – die Fohlen wachsen ohne ihren Vater auf. In Herden wildlebender Pferde sind die Hengste hingegen auch während der Entwicklung ihrer Nachkommen anwesend. Doch besteht dort ein nennenswerter Kontakt zwischen Vater und Fohlen? Dieser Frage haben sich Wissenschaftler*innen in einer aktuellen Studie gewidmet.
Die Studie
Pferde leben in der Natur für gewöhnlich in Gruppen aus einem Hengst, mehreren Stuten und deren Nachkommen – eine soziale Organisationsform, die auch als Harem bezeichnet wird. Die Forscher*innen Katerina Sandlová, Martina Komárková und Francisco Ceacero beobachteten zwei solcher Harems halbwilder Exmoor-Ponys in Natur-Reservaten in Tschechien. Die Herden umfassten jeweils 14 erwachsene Stuten und einen Hengst.
Im Zeitraum der Studie wurden in der einen Herde 10 und in der anderen 12 Fohlen geboren. Über mehrere Monate beobachteten die Wissenschaftler*innen die sozialen Begegnungen zwischen den Jungtieren und den anderen Pferden in der Herde. So konnten sie die Beziehung der Fohlen zum Hengst mit der zu den übrigen Tieren vergleichen.
Das Ergebnis
Das Ergebnis der Untersuchung war verblüffend: Die Fohlen hatten nicht nur regelmäßig Kontakt zum Hengst – er schien sogar ihr präferierter Sozialpartner zu sein. Von allen erwachsenen Tieren spielten sie am meisten mit ihm und sie zeigten ihm gegenüber sogar häufiger freundliches Verhalten in Form von Nüstern-Nüstern Kontakt oder Beschnuppern als gegenüber ihrer Mutter. Ganz besonders galt dies für den männlichen Nachwuchs.
Der Hengst wiederum war auch besonders tolerant gegenüber den Fohlen: Er wehrte sie seltener ab als es die Stuten in der Herde taten und war außerdem das einzige erwachsene Pferd, das den Nachwuchs gelegentlich zum Spielen aufforderte.
Fazit
Die Studie offenbart einen überraschend engen sozialen Kontakt zwischen Hengst und Fohlen. Allerdings wurden die Beobachtungen an nur zwei Hengsten einer bestimmten Rasse durchgeführt. Diese lebten in Reservaten, in denen sie weder der Konkurrenz durch Artgenossen noch der Bedrohung durch Raubtiere ausgesetzt waren – also dem Nachwuchs vermutlich besonders viel Aufmerksamkeit schenken konnten. Das gilt es bei der Interpretation zu bedenken, wie auch die Forscher*innen einräumen. Dennoch: Die Studie legt zumindest nahe, dass Hengste eine bisher unterschätzte Rolle für die soziale Entwicklung von Fohlen spielen.
Zur Fach-Publikation:
Sandlová, K.; Komárková, M. & Ceacero, F. (2020): Daddy, daddy cool: stallion–foal relationships in a socially‑natural herd of Exmoor ponies. Animal Cognition.
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