Meeresschildkröten legen eine falsche Spur für Nesträuber

Nachdem Meeresschildkröten ihre Eier am Strand verbuddelt haben, werfen sie wiederholt mit ihren Flossen Sand umher. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie lassen vermuten: Die Tiere legen eine falsche Spur, um mögliche Nesträuber vom eigentlichen Eiablageort wegzulocken.

von Niklas Kästner

Meeresschildkröten legen eine falsche Spur für Nesträuber
Meeresschildkröten legen eine falsche Spur für Nesträuber (Foto: Giorgia Doglioni via Unsplash)

Meeresschildkröten sind außergewöhnlich gut an das Leben unter Wasser angepasst. Nur für die Fortpflanzung sind sie auf den regelmäßigen Landgang angewiesen. Gut bekannt sind die Bilder vom mühsamen Marsch der Tiere an den Strand: Sie graben ein Loch in den Sand, legen ihre Eier hinein und schütten es anschließend wieder zu.

Nachdem die Schildkröten diese Arbeit verrichtet haben, kehren sie aber nicht direkt ins Wasser zurück. Stattdessen werfen sie noch für eine ganze Weile mit ihren Flossen Sand durch die Gegend. Was hat es mit diesem Verhalten auf sich?

Drei mögliche Erklärungen

In wissenschaftlichen Arbeiten wird diese letzte Phase der Eiablage häufig als „Camouflage“-Phase bezeichnet – es wird davon ausgegangen, dass durch das Umherwerfen des Sands der Ablageort getarnt werden soll. Als alternative Erklärung wurde vorgeschlagen, dass die Tiere den Sand bewegen, um bessere Bedingungen für ihre sich darunter entwickelnden Nachkommen zu schaffen. Eine weitere Möglichkeit hat bisher wissenschaftlich kaum Beachtung gefunden, auch wenn sie bereits Eingang in die populärwissenschaftliche Literatur gefunden hat. Es könnte auch sein, dass die Schildkröten den Sand umherwerfen, um eine falsche Spur zu legen und so vom eigentlichen Eiablageort abzulenken.

Welche dieser drei Erklärungen für das auffällige Verhalten der Schildkröten ist am wahrscheinlichsten? Dieser Frage sind die Forscher Thomas Burns und Malcolm Kennedy mit ihrem Team in einer aktuellen Studie nachgegangen.

Eine genaue Betrachtung des Sandwerfens

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler*innen Lederschildkröten (Dermochelys coriacea) und Echte Karettschildkröten (Eretmochelys imbricata) bei der Eiablage beobachtet. Die Weibchen beider Arten verwendeten nach dem Zuschütten der Eier einiges an Zeit und Energie darauf, Sand umherzuwerfen. Sie blieben dabei allerdings nicht an der Stelle, an der sie ihre Eier verbuddelt hatten. Stattdessen bewegten sie sich währenddessen teils beträchtlich vom Nest weg. Die Karettschildkröten stoppten im Schnitt 7 Mal um Sand umherzuwerfen, die Lederschildkröten 11 Mal. Bei ersteren lagen zwischen den einzelnen Stationen durchschnittlich 30 Zentimeter, bei letzteren sogar ein Meter. Häufig wechselten die Tiere zudem zwischen den einzelnen Stopps ihre Richtung.

Fazit

Die Beobachtungen der Wissenschaftler*innen sprechen nicht dafür, dass die Schildkröten durch ihr auffälliges Verhalten ihre Eiablageorte tarnen. Auch scheint unwahrscheinlich, dass sie bessere Bedingungen für die Entwicklung ihrer Nachkommen schaffen. Beide Erklärungen sind nicht damit in Einklang zu bringen, dass die Tiere den Sand größtenteils in beträchtlicher Entfernung vom Nest umherwerfen. Vielmehr spricht dieses Vorgehen für die dritte Erklärung: Die Weibchen legen eine falsche Spur, um mögliche Nesträuber vom eigentlichen Eiablageort fortzulocken. 

Allerdings bedeutet das nicht, dass die Schildkröten dabei planvoll vorgehen und wissen, was sie tun. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um ein instinktives Verhalten handelt, das im Zuge der Evolution geformt wurde, weil es den Fortpflanzungserfolg erhöht. Ob letzteres tatsächlich der Fall ist, könnte in zukünftigen Studien untersucht werden.


Zur Fach-Publikation:
Burns, J. T.; Thomson, R. R.; McLaren, R. A.; Rawlinson, J.; McMillan, E.; Davidson, H. & Kennedy, M. W. (2020): Buried treasure – marine turtles do not ‘disguise’ or ‘camouflage’ their nests but avoid them and create a decoy trail. Royal Society Open Science 7: 200327.

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