Höhlenmangel auf Teneriffa: In der Not gräbt der Sittich selbst

Seit einigen Jahrzehnten gibt es wildlebende Halsbandsittiche auf Teneriffa. Dort finden die Vögel allerdings kaum Baumhöhlen als geeignete Brutplätze. Die Lösung der anpassungsfähigen Papageien: Sie graben sich Hohlräume in Palmen – oder besetzen die Nistkammern von Mönchssittichen.

von Niklas Kästner

Halsbandsittiche brüten bevorzugt in Baumhöhlen
Halsbandsittiche brüten bevorzugt in Baumhöhlen (Foto: Frank Vassen via Flickr, Lizenz: CC BY 2.0, zugeschnitten)

Halsbandsittiche (Psittacula krameri) stammen ursprünglich aus Afrika und Asien. Mittlerweile sind die grünen Papageien mit den schrillen Rufen allerdings auch in verschiedenen Ländern Europas heimisch geworden – allein in Deutschland leben entlang des Rheins inzwischen mehrere tausend Tiere. Diese europäischen Populationen gehen wohl alle auf Vögel zurück, die einst aus der Ziervogelhaltung entwichen oder freigelassen wurden.

Mitte der 1980er Jahre wurden wildlebende Halsbandsittiche erstmals auch auf Teneriffa beobachtet. Die größte Population der Vögel existiert derzeit in der Stadt Arona im Süden der Insel. Allerdings mangelt es den Papageien dort an einer wichtigen Ressource: In den Stadtbäumen gibt es kaum natürliche Höhlen, in denen sie für gewöhnlich ihre Jungen aufziehen. Doch einer aktuellen Studie zufolge ist das für die anpassungsfähigen Vögel kein großes Problem.

Halsbandsittiche graben Höhlen in Palmen

Ein Forschungsteam um Dailos Hernández-Brito und Martina Carrete verfolgte das Brutgeschehen der Halsbandsittiche in Arona von 2014 bis 2019. Dabei entdeckten die Wissenschaftler*innen ein erstaunliches Verhalten: Insgesamt 65-mal beobachteten sie, wie sich Halsbandsittiche selbst eine komplette Bruthöhle in weichen Bereichen im Stamm oder Blattansatz von gesunden Palmen gruben – bisher war lediglich bekannt, dass die Vögel mitunter bestehende Höhlen oder Löcher vergrößern.

Halsbandsittiche graben sich ihre Bruthöhlen im Stamm einer Palme.
Bei der Arbeit: Halsbandsittiche graben sich ihre Bruthöhlen im Stamm einer Palme (Foto: Dailos Hernández-Brito, zugeschnitten)

Halsbandsittiche setzen sich ins gemachte Nest

Die Halsbandsittiche überraschten sogar noch mit einem weiteren innovativen Nistverhalten: Sie machten sich die Baukünste der ebenfalls als Neuankömmlinge auf Teneriffa lebenden Mönchssittiche (Myiopsitta monachus) zunutze und setzten sich buchstäblich ins gemachte Nest. Als einzige Papageien errichten Mönchssittiche große Gemeinschaftsnester mit mehreren Nistkammern. Insgesamt 37-mal beobachteten die Forschenden, wie Halsbandsittiche in einer solchen Kammer brüteten – aus der sie zuvor häufig die eigentlichen Inhaber vertrieben hatten.

Besonders interessant: Während die Übernahme der Nistkammer durch die Halsbandsittiche für die betroffenen Mönchssittichpaare von Nachteil war, schien die Kolonie im Ganzen von den artfremden Untermietern zu profitieren. Denn die Halsbandsittiche beteiligten sich an der Abwehr von Fressfeinden wie Ratten, Falken und Möwen – und gemischte Kolonien waren dabei wesentlich erfolgreicher als solche, die nur aus Mönchssittichen bestanden.

Ein Halsbandsittich hat eine Nistkammer in einem Mönchssittichnest eingenommen.
Ein Halsbandsittich (unten rechts) in einer Nistkammer im Gemeinschaftsnest von Mönchssittichen (Foto: Dailos Hernández-Brito, zugeschnitten)

Fazit

Die Studie belegt einmal mehr die erstaunliche Anpassungsfähigkeit der Halsbandsittiche. Trotz Mangels an natürlichen Baumlöchern pflanzen sich die Vögel auf Teneriffa fort – indem sie selbst Höhlen in Palmen graben oder Mönchssittichnester besetzen. Diese innovativen Verhaltensweisen tragen vermutlich erheblich zum Erfolg der Population in Arona bei: Im Untersuchungszeitraum wuchs die Zahl der dort lebenden Sittiche beträchtlich – von 135 Tieren im Jahr 2014 auf 350 Tiere im Jahr 2019.


Zur Fach-Publikation:
Hernández-Brito, D.; Tella, J. L.; Blanco, G. & Carrete, M. (2021): Nesting innovations allow population growth in an invasive population of rose-ringed parakeets. Current Zoology.

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