Mikroplastik beeinträchtigt Einsiedlerkrebse bei der Wahl ihrer Behausung

Durch den Zerfall größerer Kunststoffteile oder als Zusatz in Duschgels und Shampoos gelangt es in die Umwelt: Mikroplastik. Eine aktuelle Studie an Einsiedlerkrebsen zeigt, welche Auswirkungen die winzigen Plastikpartikel auf das Verhalten von Meerestieren haben können.

von Niklas Kästner

Mikroplastik beeintraechtigt Einsiedlerkrebse
Ein Einsiedlerkrebs auf den Malediven (Foto: Ahmed Sobah via Unsplash)

Ein beträchtlicher Teil unseres Plastikmülls findet seinen Weg in die Ozeane. Nur zu gut kennen wir die bedrückenden Bilder von riesigen Inseln aus Abfall oder von Meerestieren, die sich in Verpackungsmaterial verfangen haben. Seit einigen Jahren rückt ein Problem ins gesellschaftliche Bewusstsein, das nicht so stark ins Auge fällt: Die Belastung durch Mikroplastik. Dieser Begriff bezeichnet Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser von unter 5 mm. Kleinste Plastikteilchen sind zum Beispiel in Shampoos und Duschgels enthalten und gelangen bei der Verwendung der Kosmetika ins Abwasser. Der Großteil des Mikroplastiks in der Umwelt – über 90 Prozent – stammt allerdings aus Zerfallsprozessen größerer Kunststoffteile, wie dem Abrieb von Autoreifen.

Besonders hoch ist die Mikroplastik-Konzentration an den Meeresküsten. Sie sind die Heimat des Gemeinen Einsiedlerkrebses (Pagurus bernhardus). Eine aktuelle Studie an dieser Art verdeutlicht die gravierenden Konsequenzen, die ein Leben zwischen Kunststoffpartikeln für Meerestiere haben kann.

Das Experiment und sein Ergebnis

Ein Team um die Forscher Andrew Crump and Gareth Arnott fing für das Experiment Einsiedlerkrebse an der Küste Nordirlands. Diese setzten die Wissenschaftler*innen für fünf Tage unterschiedlichen Bedingungen aus. Alle Tiere wurden in Meerwasser-Aquarien gehalten. Bei der Hälfte enthielt das Aquarium zusätzlich Mikroplastik: Kunststoffkügelchen mit einem Durchmesser von 4 mm und einem Gewicht von 0,02 Gramm. Die Konzentration betrug 25 Kügelchen pro Liter und lag damit laut Crump und seinem Team nah an Werten, die in der Natur erreicht werden.

Einsiedlerkrebse wurden in Meerwasser-Aquarien mit Mikroplastik (1., 4. und 6. von links) oder ohne Mikroplastik (2., 3. und 5. von links) gehalten (Foto: Alix McDaid).

Anschließend führten die Forscher*innen einen Verhaltenstest mit den Tieren durch, um die Folgen der Mikroplastik-Belastung zu messen. Dazu machten sie sich die besondere Lebensweise der Einsiedlerkrebse zunutze. Im Gegensatz zu den meisten anderen Krebstieren besitzen diese einen weichen Hinterleib und brauchen eine Behausung um ihn zu schützen. Der Gemeine Einsiedlerkrebs benutzt dafür leere Häuser von Meeresschnecken. Ein optimales Schneckenhaus wählt er anhand dessen Gewichts im Verhältnis zu seinem Körpergewicht aus. Wird ein Krebs für seine Behausung zu groß, muss er umziehen.

Für den Test entfernten Crump und seine Kolleg*innen die Schneckenhäuser der Einsiedlerkrebse und stellten ihnen suboptimale Alternativen zur Verfügung. Diese waren jeweils 50 Prozent leichter als die Behausung, die ein Krebs anhand seines Körpergewichts auswählen würde. Zwei Stunden durften die Tiere sich an ihre neue Wohnung gewöhnen – dann begann der Test. Alle Tiere bekamen die Chance, innerhalb von 30 Minuten in ein optimales Schneckenhaus umzuziehen. Die Forscher*innen beobachteten, ob das Verhalten der Krebse durch die fünf Tage im Mikroplastik beeinflusst wurde.

Das erschreckende Ergebnis: 71 Prozent der Krebse, die in Aquarien ohne Mikroplastik gelebt hatten, inspizierten das optimale Haus und 60 Prozent der Tiere zogen dort ein. Bei den Krebsen, die in Aquarien mit Mikroplastik gelebt hatten, erkundeten hingegen bloß 34 Prozent das neue Haus und nur 31 Prozent zogen um.

Fazit

Der Augang des Tests macht deutlich: Mikroplastik beeinträchtigt Einsidlerkrebse erheblich bei der Wahl einer optimalen Behausung. Auf welchem Weg die Kunststoffpartikel das Verhalten der Tiere beeinflussen, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Doch diese Tatsache macht das Ergebnis nicht weniger beunruhigend.


Zur Fach-Publikation:
Crump, A.; Mullens, C.; Bethell, E. J.; Cunningham, E. M. & Arnott, G. (2020): Microplastics disrupt hermit crab shell selection. Biology Letters 16: 20200030.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert