Per Kaiserschnitt geborene Mäuse verhalten sich anders

Eine aktuelle Studie an Mäusen zeigt: Eine Geburt per Kaiserschnitt kann das Verhalten der Nachkommen bis ins Erwachsenenalter verändern. Der Untersuchung zufolge ist dafür eine abweichende Zusammensetzung der Mikroorganismen verantwortlich, die im Körper der Tiere leben.

von Niklas Kästner

Mäuse, die per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen waren, verhielten sich in der Studie anders als ihre auf natürlichem Weg geborenen Artgenossen
Mäuse, die per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen waren, verhielten sich in der Studie anders als ihre auf natürlichem Weg geborenen Artgenossen (Foto: Alexas_fotos via Pixabay)

Wenn wir ein Tier beobachten, betrachten wir eigentlich nicht nur ein einzelnes Lebewesen. In und auf ihm leben noch Millionen andere mikroskopisch kleine Organismen. Zusammen genommen bezeichnet man sie als „Mikrobiom“. Die Bedeutung dieser Untermieter wurde lange unterschätzt, doch zunehmend wird deutlich, dass sie unter anderem für die Entwicklung eines Organismus entscheidend sein können.

Wird ein Säugetier nicht auf natürlichem Wege, sondern per Kaiserschnitt geboren, kommt es nicht in Kontakt mit den Mikroorganismen im Scheidenbereich der Mutter. Die Folge: Die Zusammensetzung seines Mikrobioms ist anders als nach einer vaginalen Geburt. Das kann sich auf den Stoffwechsel und das Immunsystem auswirken – und sogar auf das Verhalten, wie eine aktuelle Studie an Mäusen zeigt.

Unterschiede im Mikrobiom und im Verhalten

Ein Forschungsteam um Livia Morais und John Cryan verglich per Kaiserschnitt geborene Mäuse mit solchen, die per vaginaler Geburt auf die Welt gekommen waren. Wie erwartet unterschied sich das Mikrobiom der Tiere deutlich in seiner Zusammensetzung.

Zusätzlich zu der abweichenden Mikroorganismen-Mischung stellten die Forscher*innen bereits anderhalb Wochen nach der Geburt Unterschiede im Verhalten der Tiere fest. Wenn sie die Jungen von ihren Müttern und Geschwistern isolierten, gaben die per Kaiserschnitt geborenen viel mehr Rufe ab, um auf sich aufmerksam zu machen. Gleichzeitig zeigten sie allerdings eine wesentlich schwächere Vorliebe für Einstreu, die nach ihrer Mutter roch, als die auf natürlichem Wege geborenen Mäuse.

Selbst im Erwachsenenalter fanden sich noch Auffälligkeiten im Verhalten. Normalerweise zeigen Mäuse großes Interesse für Neues: Haben sie die Wahl zwischen einem bekannten und einem unbekannten Artgenossen, verbringen sie in den ersten Minuten mehr Zeit in der Nähe des „Fremden“. Diese Neugier zeigten per Kaiserschnitt geborene Mäuse im Gegensatz zu ihren natürlich geborenen Artgenossen allerdings nicht.

Die Rolle des Mikrobioms

Die bisherigen Ergebnisse zeigten klar: Eine Geburt per Kaiserschnitt beeinflusst sowohl die Zusammensetzung des Mikrobioms der Mäusenachkommen als auch ihr Verhalten. Aber hängt das eine mit dem anderen zusammen? Um das zu überprüfen, manipulierten die Wissenschaftler*innen in einem weiterem Experiment das Mikrobiom der Tiere. Wieder verglichen sie Mäuse, die per Kaiserschnitt zur Welt gekommen waren, mit auf natürlichem Wege geborenen. Diesmal versetzten sie aber bei einem Teil der Mütter nach der Geburt das Futter mit einem Zusatzstoff. Dieser ist dafür bekannt, dass er das Wachstum der Bakterien fördert, die im Mikrobiom der Kaiserschnitt-Jungen besonders selten waren (sogenannte Bifidobakterien). Nach der Entwöhnung im Alter von 21 Tagen enthielten außerdem die kleinen Mäuse selbst das angereicherte Futter.

Das Ergebnis des Versuchs: Die Fütterung des Zusatzstoffs ließ nicht nur die Unterschiede im Mikrobiom verschwinden. Sie führte auch dazu, dass die per Kaiserschnitt geborenen Mäuse keinerlei Auffälligkeiten im Verhalten mehr zeigten – weder mit anderthalb Wochen noch im späteren Leben. Ähnliche Effekte fanden die Forschenden, wenn sie den Mäusen direkt die entsprechenden Bakterien mit dem Futter verabreichten. Das lässt darauf schließen, dass tatsächlich das in Folge einer Kaiserschnittgeburt abweichende Mikrobiom für das veränderte Verhalten verantwortlich ist.

Fazit

Die Studie zeigt, dass eine Geburt per Kaiserschnitt zu langfristigen Veränderungen im Verhalten von Mäusen führen kann – und dass diese höchstwahrscheinlich auf Veränderungen im Mikrobiom beruhen. Eine Einschränkung der Aussagekraft der Untersuchung erwähnen die Wissenschaftler*innen allerdings selbst: Sie haben die Experimente ausschließlich mit männlichem Mäusenachwuchs durchgeführt. Ob die Ergebnisse bei weiblichen Tieren ähnlich ausfallen würden, bleibt vorerst offen.


Zur Fach-Publikation:
Morais, L. H.; Golubeva, A. V.; Moloney, G. M.; … Stanton, C.; Dinan, T.G. & Cryan J. F. (2020): Enduring behavioral effects induced by birth by Caesarean section in the mouse. Current Biology 30.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert