Entspannende Körperpflege? Werden Fische geputzt, fliehen sie später

Putzerfische befreien größere Fische von Parasiten. Die Prozedur scheint eine entspannende Wirkung auf die „Klienten“ zu haben – ihre Stresshormonkonzentration sinkt. Eine aktuelle Studie zeigt, dass auch ihr Verhalten sich verändert: Vor einer möglichen Bedrohung fliehen sie deutlich später.

von Niklas Kästner

Putzerfische befreien Rifffische von Parasiten
Putzerfische befreien Rifffische von Parasiten (Foto: David Clode via Unsplash)

An vielen Korallenriffen gibt es „Putzstationen“, an denen Putzerfische ihre sogenannten „Klienten“ von Parasiten befreien. Es handelt sich um ein klassisches Beispiel für einen Mutualismus, d.h. eine Interaktion, die beiden Seiten nützt: Die größeren Fische werden ihre Plagegeister los und die Putzerfische gelangen bequem an Nahrung.

Aus früheren Untersuchungen an Doktorfischen ist bekannt, dass das Putzen die Stresshormonkonzentration der Klienten senken kann. Passend dazu wirkte in einer aktuellen Studie auch ihr Verhalten entspannter: Rifffische, die geputzt wurden, waren weniger scheu.

Die Studie

Das Forschungsteam um Vinicius Giglio und Daniel Blumstein führte die Untersuchung an einem Atoll 230 km vor der brasilianischen Nordostküste durch. Die Wissenschaftler*innen konzentrierten sich dabei auf zwei Arten von größeren Rifffischen: den Gemeinen Husar (Holocentrus adscensionis) und eine Papageifischart (Sparisoma amplum). Beide Arten werden in der Region von jungen Lippfischen (Thalassoma noronhanun) geputzt.

Für die Studie schnorchelten die Wissenschaftler*innen wiederholt am Riff. Wenn sie einen Gemeinen Husar oder einen Papageifisch entdeckten, näherten sie sich ihm mit gleichmäßiger Geschwindigkeit an. Sobald er zur Flucht ansetzte, notierten sie die Distanz, die zu diesem Zeitpunkt noch zwischen ihnen lag. Außerdem hielten sie fest, ob der Fisch gerade geputzt wurde oder nicht.

Auf diese Weise näherten sie sich insgesamt 87 Gemeinen Husaren und 106 Papageifischen. Jeweils etwa die Hälfte von ihnen wurde dabei gerade von einem oder mehreren jungen Lippfischen geputzt. Hatte die Körperpflege Auswirkungen darauf, wann die Fische flohen?

Die Antwort auf diese Frage war bei beiden Arten ein eindeutiges „ja“: Während der Körperpflege hatten die Fische eine deutlich geringere Fluchtdistanz. Bei den Gemeinen Husaren sank sie von durchschnittlich 76 auf 50 Zentimeter, bei den Papageifischen von 103 auf 72 Zentimeter.

Fazit

Die Rifffische in der Studie verhielten sich weniger scheu, während sie geputzt wurden. Wie lässt sich das erklären?

Durch eine Flucht verlieren die Klienten der Putzerfische ihre kleinen Helfer – und die sind am Riff sehr begehrt. Die Forscher*innen vermuten, dass sich für sie daher das Risiko lohnt, zunächst abzuwarten und erst verhältnismäßig spät zu fliehen.


Zur Fach-Publikation:
Giglio, V. J.; Nunes, J. A. C. C.; Ferreira, C. E. L. & Blumstein, D. T. (2020): Client reef fish tolerate closer human approaches while being cleaned. Journal of Zoology.

Weitere Literatur:
Soares, M. C.; Oliveira, R. F.; Ros, A. F. H.; Grutter, A. S. & Bshary, R. (2011): Tactile stimulation lowers stress in fish. Nature Communications 2: 534.

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