Trickreiche Fische: Guppys ändern ihre Augenfarbe, um Feinden zu entkommen

Beim Anblick eines Raubfischs verfärben sich die Augen von Guppys: Die sonst silbrige Iris wird schwarz. Eine aktuelle Studie zeigt, dass dies Teil einer genialen Strategie ist, um Feinden zu entwischen.

von Niklas Kästner

Guppys
Ein männlicher und zwei weibliche Guppys (Foto: Per Harald Olsen via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY 3.0)

Manchen Fischen sieht man regelrecht an, dass sie „wütend“ werden: Ihre Augen färben sich dunkel. Auch bei Guppys (Poecilia reticulata) lässt sich das beobachten. Innerhalb weniger Sekunden ändert sich die Farbe ihrer Iris von Silber zu Schwarz.

Guppys können die Farbe ihrer Iris verändern (Foto: Robert Heathcote)

Bei Untersuchungen im natürlichen Verbreitungsgebiet der Fische in Trinidad stellte ein Forschungsteam fest, dass diese Farbveränderung aber nicht nur bei aggressiven Auseinandersetzungen mit Artgenossen auftritt. Die Fische bekommen auch dann schwarze Augen, wenn sie einen Raubfisch sehen. Wie lässt sich das erklären?

In einer Reihe von Experimenten untersuchte das Team um die Wissenschaftler Robert Heathcote und Darren Croft dieses Phänomen genauer – und stellte fest, dass die Farbänderung Teil einer gewieften Strategie ist, um Feinden zu entkommen.

Bei der Begutachtung von möglichen Feinden färben sich die Augen von Guppys schwarz; die erste Sequenz wurde im Labor gefilmt, die zweite in einem Bach in Trinidad (Videos: Robert Heathcote)

Farbänderung auch unter Laborbedingungen

Zunächst überprüften die Wissenschaftler*innen ihre Beobachtung aus dem Freiland unter Laborbedingungen. Das Team fing 250 Guppys in Trinidad ein und konfrontierte sie mit dem Modell eines Hechtbuntbarsches (Crenicichla alta). Wie viele andere Tiere auch, zeigen Guppys ein Verhalten, das in der Fachliteratur als predator inspection („Raubtier-Inspektion“) bezeichnet wird. Sie nähern sich einem Raubfisch an und machen sich so ein Bild von der Situation. Während die Guppys den täuschend echt aussehenden Feind inspizierten, beobachteten die Forscher*innen ihre Augen: Wie erwartet färbten sie sich bei einem Großteil der Fische schwarz.

Die Farbänderung beeinflusst die Richtung des Angriffs

In einem nächsten Schritt untersuchten Heathcote und seine Kolleg*innen, ob sich die dunkle Augenfarbe der möglichen Beute auf das Verhalten der Raubfische auswirkt. Für dieses Experiment fingen sie echte Hechtbuntbarsche, denen sie jeweils zwei Roboter-Modelle von Guppys präsentierten. Eins davon hatte helle, das andere dunkel gefärbte Augen. Die Roboterfische wurden so programmiert, dass sie – wie ein Guppy auf Raubtier-Inspektion – von der Seite aus auf die Raubfische zuschwammen. Die Wissenschaftler*innen filmten das ganze von oben und notierten, ob und auf welchen Teil des Roboterfischs die Hechtbuntbarsche ihre Attacke ausrichteten.

Das Ergebnis war bemerkenswert. Die Augenfarbe hatte zwar keinerlei Einfluss darauf, ob ein Fisch angegriffen wurde. Dafür beeinflusste sie aber das Angriffsziel: Während Roboterfische mit hellen Augen eher an ihrem Körperschwerpunkt attackiert wurden, richtete sich der Angriff bei Fischen mit schwarzen Augen meist auf ihren Kopf.

Eine Szene aus dem Versuch: Ein Hechtbuntbarsch attackiert einen Roboter-Guppy (Video: Robert Heathcote)

Eine clevere Taktik

Warum sollten die Guppys die Aufmerksamkeit eines Feindes durch das Verdunkeln der Augen auf die empfindliche Kopfregion lenken und weg von der Körpermitte? Die Forschenden entwickelten eine Idee, wie die kleinen Fische von dem veränderten Angriffsverhalten ihrer größeren Feinde profitieren könnten.

Guppys weichen einer Attacke aus, indem sie in Sekundenschnelle ihren Körper herumwerfen und zur Seite flüchten. Während der Körperschwerpunkt bei dieser Drehung an einem Ort bleibt, ändert der Kopf seine Position erheblich. Wenn der Raubfisch also anstelle der Körpermitte ihre Augen in den Fokus nimmt, könnte das den Guppys einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Denn der schnell noch vorne schießende Feind kann seine Richtung nicht mehr so schnell ändern.

Ihre Hypothese überprüfte das Forschungsteam in einem weiteren Experiment – diesmal mit lebenden Fischen beider Arten. Sie beobachteten mehrere Attacken von Hechtbuntbarschen auf Guppys und notierten dabei sowohl die Augenfarbe der Guppys als auch die Ausrichtung ihres Angreifers. Damit kein Fisch zu Schaden kam, waren Räuber und Beute in diesem Versuch durch eine durchsichtige Barriere getrennt. Anhand ihrer Beobachtungen berechneten die Wissenschaftler*innen, ob ein Guppy dem Angriff des Raubfischs entkommen wäre oder nicht. Zusätzlich werteten sie bereits vorhandene Videos aus, auf denen Raubfisch-Attacken auf Guppys zu sehen waren.

Das Ergebnis des Versuchs stützte die Hypothese der Forscher*innen. Ein Guppy mit dunklen Augen, der die Aufmerksamkeit des Raubfischs auf seinen Kopf lenkte, hatte eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, diesem zu entkommen. 

Ein Guppy entkommt seinem Angreifer (Video: Jeff Walker)

Fazit

Dem Team ist es mit gut durchdachten Experimenten gelungen, die Taktik der Guppys zu entschlüsseln: Sie lenken die Aufmerksamkeit von Raubfischen auf ihren Kopf, um sich im letzten Moment herumzuwerfen und zu entwischen. Das Forschungsteam vergleicht die Strategie der Guppys mit der eines Matadors, der die Blicke eines Stiers auf ein rotes Tuch lenkt und dann gerade rechtzeitig zur Seite springt. Auch wenn es sich beim Stierkampf um eine grausame Angelegenheit handelt – der Vergleich ist ziemlich treffend.


Zur Fach-Publikation:
Heathcote, R. J. P.; Troscianko, J.; Darden, S. K.; Naisbett-Jones, L. C.; Laker, R. L.; Brown, A. M.; Ramnarine, I. W.; Walker, J. & Croft, D. P. (2020): A matador-like predator diversion strategy driven by conspicuous coloration in guppies. Current Biology 30: 1-8.

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