Wenn ein bisher zielführender Weg plötzlich versperrt ist, lohnt es sich oftmals, einen neuen einzuschlagen. Das gelingt Ziegen einer aktuellen Studie zufolge schneller als Schafen – was mit den unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten der Tiere zusammenhängen könnte.
Wie reagieren wir, wenn eine üblicherweise geöffnete Tür plötzlich verschlossen ist? Zunächst probieren wir vermutlich, sie mit etwas mehr Kraft aufzustoßen – vielleicht klemmt sie ja nur. Doch nach einer Weile werden wir aufgeben und einen neuen Weg suchen.
In einer aktuellen Studie haben Forschende untersucht, wie Schafe und Ziegen mit einem unerwarteten Hindernis umgehen. Das Ergebnis: Die Ziegen reagierten flexibler und fanden schneller einen neuen Weg.
Die Studie
Ein Team um Camille Raoult und Christian Nawroth testete 21 Ziegen und 28 Schafe einzeln in einem rechteckigen Außengehege. Dabei galt es für die Tiere, von ihrer Startposition auf der einen zur gegenüberliegenden Seite zu gelangen, wo eine vertraute Person mit einer Belohnung wartete. Der direkte Weg dorthin war allerdings durch einen Zaun versperrt.
Zunächst lernten die Tiere, einen Weg am Zaun vorbei zu finden: An einem Ende befand sich zwischen dem Hindernis und der Umzäunung eine Öffnung. Anschließend verschoben die Forschenden den Zaun, so dass die Tiere ihn nicht mehr wie gewohnt passieren konnten – denn die Öffnung befand sich nun am gegenüberliegenden Ende. Anhand von Videoaufzeichnungen beobachtete das Team, wie Schafe und Ziegen auf das unerwartete Hindernis reagierten.
Die Ergebnisse
Ein Großteil der Tiere beider Arten wählte erwartungsgemäß zunächst die gewohnte Route. Doch schon im zweiten Durchgang entschieden sich 76 Prozent der Ziegen auf Anhieb für den nun zielführenden Weg, im dritten waren es 96 Prozent – und im vierten sogar 100 Prozent. Die Schafe hingegen waren wesentlich beharrlicher: Im zweiten Durchgang wählten erst 43 Prozent von ihnen die neue Strecke, im dritten 68 Prozent und im vierten 86 Prozent.
Dabei ist nicht völlig auszuschließen, dass das Alter der Tiere das Ergebnis beeinflusste: Die getesteten Ziegen waren 3–17 Jahre alt, die Schafe erst 5–7 Monate. Die Forschenden halten das allerdings für unwahrscheinlich. Denn bei früheren, ganz ähnlichen Tests unterschieden sich jüngere und ältere Schafe nicht voneinander – was dafür spricht, dass die gefragten Fähigkeiten bei den Schafen in der aktuellen Studie bereits vollständig entwickelt waren.
Fazit
Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass Ziegen ihr Verhalten flexibler an veränderte Bedingungen anpassen können als Schafe. Wie lässt sich das erklären? Das Forschungsteam vermutet, dass die verschiedenen Speisepläne der beiden Arten eine Rolle spielen könnten: Als Grasfresser finden Schafe ihre Nahrung üblicherweise gleichmäßig verteilt. Ziegen nutzen dagegen unterschiedliche pflanzliche Nahrungsquellen, nach denen sie oftmals suchen müssen. Dabei sind sie vermutlich stärker darauf angewiesen, flexibel auf Unwägbarkeiten zu reagieren.
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