Weibliche Vampire pflegen teils sehr intensive soziale Beziehungen miteinander. In einer aktuellen Studie beschreibt ein Forschungsteam eine faszinierende Beobachtung: Als eine Mutter an einer Erkrankung verstarb, kümmerte sich deren engste Sozialpartnerin um das verwaiste Jungtier.
Weibliche Vampire (Desmodus rotundus) leben in stabilen Gruppen, in denen sich zwischen einzelnen Tieren enge soziale Bindungen entwickeln. Solche „Freundinnen“ groomen einander nicht nur besonders häufig (Groomen: Fellpflege betreiben), sondern helfen sich auch in Notsituationen: Hatte eine von ihnen keinen Erfolg bei der Nahrungssuche, teilt die andere das von ihr erbeutete Blut mit ihr. In einer aktuellen Studie beobachtete ein Forschungsteam, dass die Freundschaft unter Umständen sogar noch weitergeht: Ein Weibchen adoptierte die Tochter ihrer Freundin, als diese in Folge einer Erkrankung verstarb.
Die Studie
Das Team um Imran Razik und Gerald Carter hatte im Rahmen eines Forschungsprojekts Vampire im Freiland gefangen und zusammen in ein Außengehege gesetzt. Darunter waren zwei Weibchen aus weit voneinander entfernten Gebieten, genannt „Lilith“ und „BD“, zwischen denen sich eine enge Beziehung entwickelte. Als Lilith eine Tochter gebar, verhielt sich BD auch gegenüber dieser überaus freundlich.
Bald nach der Geburt wurde Lilith allerdings krank – und starb, als ihre Tochter erst 19 Tage alt war. Ein fatales Ereignis, denn Vampire werden erst nach neun Monaten von ihrer Mutter unabhängig. Doch bereits an Liliths Todestag beobachteten die Wissenschaftler*innen, wie BD das Jungtier säugte. Auch in den weiteren sieben Wochen, in denen das Team die Tiere beobachtete, kümmerte sich BD intensiv um die Tochter ihrer Freundin – sie säugte sie, groomte sie, und fütterte sie mit Blut.
Fazit
Durch einen Zufall bekamen die Wissenschaftler*innen die Gelegenheit, ein im Tierreich eher seltenes Ereignis genauestens zu studieren: die Adoption eines nicht verwandten Jungtiers. Dieses Phänomen wurde bereits bei verschiedenen Arten beobachtet, ist aber nur schwer zu erklären.
Die Verfasser*innen der Studie sehen die Möglichkeit, dass es sich bei einer solchen Adoption schlichtweg um ein „Nebenprodukt“ von Verhaltenstendenzen handelt, die eigentlich den eigenen Fortpflanzungserfolg fördern – wie beispielsweise ein ausgeprägter Brutpflegetrieb. Im Fall von Lilith und BD könnten sich dabei zusätzlich die besonderen Bedingungen des Lebens in Menschenhand begünstigend ausgewirkt haben.
Ob Nebenprodukt oder nicht – die enge Beziehung der beiden Vampire scheint bei der Adoption eine entscheidende Rolle gespielt zu haben. Zumindest zeigte keins der übrigen Weibchen im Gehege ein besonderes Interesse für das verwaiste Jungtier.
Zur Fach-Publikation:
Razik, I.; Brown, B. K. G.; Page, R. A. & Carter, G. G. (2021): Non-kin adoption in the common vampire bat. Royal Society Open Science 8: 201927.
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