Die Ergebnisse einer aktuellen Studie zeigen, wie sich Seitensprünge für Vogelweibchen auszahlen können: Zeugen sie Nachkommen mit einem Männchen aus der Nachbarschaft, können sie später auf dessen Unterstützung bei der Abwehr möglicher Nesträuber zählen.
Vogelehen galten lange als Inbegriff der Monogamie. Bis genetische Analysen zeigten: Zwar ziehen meist ein Weibchen und ein Männchen gemeinsam eine Brut groß. Doch in sexueller Hinsicht halten die beiden einander in vielen Fällen keineswegs die Treue.
Inwiefern sich das für die Männchen auszahlt, liegt auf der Hand: Sie zeugen zusätzliche Nachkommen, die von anderen Vögeln großgezogen werden. Doch warum paaren sich die Weibchen mit mehreren Männchen? Schließlich können sie nur eine begrenzte Anzahl Eier legen und ausbrüten. Einer aktuellen Studie an Trauerschnäppern (Ficedula hypoleuca) zufolge könnte ein möglicher Vorteil ihrer Seitensprünge darin bestehen, dass sich die Überlebenschancen ihres Nachwuchses verbessern – da sich gleich mehrere Männchen bei der Abwehr möglicher Nesträuber engagieren.
Forschung an Trauerschnäppern: Siedlungen und Seitensprünge
Im Rahmen einer mehrjährigen Untersuchung führten Forschende um Indikris Krams und Sigrunn Eliassen ein Experiment mit wildlebenden Trauerschnäppern in Lettland durch. Dazu errichteten sie 44 „Trauerschnäpper-Siedlungen“ bestehend aus drei jeweils etwa 125 Meter voneinander entfernt angebrachten Nistkästen.
Da die Forschenden zunächst bei zwei der drei Kästen den Eingang verschlossen hielten, konnte anfangs stets nur ein Trauerschnäpper-Paar in diese Siedlungen einziehen. Erst als das Weibchen dieses Paares Eier gelegt hatte, öffnete das Team den Zugang zu den übrigen beiden Kästen. Als sich nun auch dort Trauerschnäpper-Paare einfanden, nutzte mehr als die Hälfte der 44 bereits zuvor eingezogenen Männchen die Chance für einen Seitensprung: 14 zeugten Nachwuchs mit einem der benachbarten Weibchen und 13 sogar mit beiden.
Scheinbare Bedrohung am Nest
Als die Jungvögel der Neuankömmlinge mindestens fünf Tage alt waren, begann der nächste Schritt des Experiments: Die Forschenden platzierten in zwei verschiedenen Durchgängen gleichzeitig je einen ausgestopften Waldkauz (Strix aluco) vor ihren Nistkästen. Wie viele andere Singvögel reagieren Trauerschnäpper auf die Anwesenheit eines solchen Fressfeindes in der Regel durch sogenanntes „Mobbing“ (im Deutschen auch Hassen): Sie nähern sich dem potenziellen Angreifer, stoßen wiederholt Warnrufe aus und attackieren ihn mitunter sogar.
Was die Forschenden in diesem Fall interessierte, waren aber nicht die Reaktion der Vögel in den betroffenen Nistkästen – sondern die der früher in die Siedlung eingezogenen Männchen. Sie hatten in beiden Durchgängen die Möglichkeit, ihre Nachbarn bei der Feindabwehr zu unterstützen, mussten sich dabei aber für eine der beiden Parteien entscheiden. Würde ihr Verhalten davon abhängen, ob sich in den scheinbar bedrohten Nestern ihrer Nachbarn auch ihre eigenen Nachkommen befanden?
Seitensprünge begünstigen Nachbarschaftshilfe
Tatsächlich war das der Fall: Von den 17 Männchen ohne Nachkommen in den betroffenen Nestern leisteten nur wenige Nachbarschaftshilfe. Drei halfen in beiden Durchgängen und zwei bloß in einem. Anders sah es bei den Männchen mit Nachkommen in einem der Kästen aus: Sie alle unterstützten ihre Nachbarn in beiden Durchgängen – und zwar bis auf eine Ausnahme stets das Paar, in dessen Nest sich ihre Jungen befanden. Auch die Männchen, die Nachkommen in beiden Kästen hatten, beteiligten sich zuverlässig am Mobbing. Und interessanterweise teilten sie ihre Hilfe gerecht auf: Hatten sie beim ersten Durchgang die einen Nachbarn unterstützt, unterstützten sie beim zweiten Durchgang die anderen.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass sich männliche Trauerschnäpper verstärkt an der Feindabwehr an nachbarschaftlichen Nestern beteiligen, wenn sich darin Jungvögel befinden, die sie gezeugt haben. Das legt nahe, dass es sich für weibliche Vögel ganz unmittelbar lohnen kann, sich mit mehreren Männchen zu paaren. Denn die zusätzliche Unterstützung verbessert vermutlich die Erfolgschancen bei der Abwehr möglicher Nesträubern – und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit ihrer Nachkommen.
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