Hier geht’s zum Nest: Wüstenameisen bauen ihre eigenen Orientierungshilfen

Wenn Wüstenameisen inmitten von Salzwüsten leben, bauen sie auffallend hohe Nesthügel. Diese Strukturen fungieren einer aktuellen Studie zufolge als Landmarken – und helfen den Tieren, in der kargen Umgebung zum Nest zurückzufinden.

von Niklas Kästner

Eine Wüstenameise der Art Cataglyphis fortis auf ihrem Nesthügel (Foto: Markus Knaden, Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie)

Auf der Suche nach Nahrung unternehmen Wüstenameisen der Art Cataglyphis fortis in den Salzwüsten Tunesiens bis zu hunderte Meter weite Ausflüge. Sind sie fündig geworden, geht es zurück zum Nest – und das für gewöhnlich auf direktem Wege. Diese bemerkenswerte Navigationsleistung gelingt den Tieren mittels der sogenannten Pfadintegration: Sie merken sich, wie viele Schritte sie jeweils in welche Richtungen gemacht haben, und berechnen daraus die Lage ihres Ausgangspunkts.

Allerdings können sich bei der Pfadintegration Fehler einschleichen – insbesondere dann, wenn die Tiere weite Strecken zurücklegen. Um den Eingang zum Nest zu finden, setzen die Ameisen daher auf den letzten Metern auch auf Hinweise in der Umgebung: So kann ihnen beispielsweise die Vegetation am Rand der Salzwüsten den Weg zum Nest weisen.

Doch was ist mit Ameisenkolonien, deren Nester weit im Inneren der Salzwüsten liegen, wo es keine solchen Landmarken gibt? Einer aktuellen Studie zufolge haben die Tiere auch dafür eine Lösung: Sie bauen sich ihre Orientierungshilfen einfach selbst.

Höhere Nesthügel im Inneren der Salzwüsten

Die Forschenden Marilia Freire, Antonia Bollig und Markus Knaden kamen den bemerkenswerten Verhalten der Ameisen durch eine Beobachtung auf die Spur: Bei Untersuchungen stellten sie fest, dass die Eingänge zu ihren Nestern von einem wesentlich höheren Hügel umgeben waren, wenn sie nicht am Rand der Salzwüsten lagen, sondern in deren Inneren. Das brachte sie auf eine Idee: Könnte es sein, dass die Insekten diese Struktur errichten, damit Ausflüglerinnen in der vegetationslosen Ebene leichter zum Nest zurückfinden?

Hügel erleichtern den Ameisen die Orientierung

Um ihre Vermutung zu überprüfen, führten die Forschenden ein Experiment durch: Sie sammelten Ameisen, die gerade von einem Ausflug zurückgekehrt waren, und setzten sie in einigen Metern Entfernung von ihrem Nest ab – die Tiere mussten sich nun also auf Hinweise aus der Umgebung verlassen, um zurückzufinden. Zuvor hatten die Forschenden bei einigen der Nester den Hügel entfernt, bei anderen hatten sie diesen unberührt gelassen.

Es zeigte sich: Im Inneren der Salzwüste hatten die Ameisen ohne Hügel deutlich größere Schwierigkeiten, den Nesteingang zu finden. Bei Nestern am Salzwüstenrand hingegen hatte das Abtragen des Hügels kaum Auswirkungen auf die Navigationsleistungen der Tiere. Demnach scheinen die Hügel den Ameisen tatsächlich als Orientierungshilfen zu dienen, wenn es in der Nähe keine anderen Landmarken gibt.

Ameisen bauen Hügel, wenn Landmarken fehlen

Aber ist die Abwesenheit von Landmarken auch tatsächlich der Anlass dafür, dass die Ameisen den weit sichtbaren Hügel errichten? Um diese Frage zu beantworten, entfernten die Forschenden von 16 Nestern im Salzwüsteninneren den Hügel und platzierten bei der Hälfte davon jeweils zwei schwarze Zylinder als künstliche Landmarken neben dem Eingang. Nach drei Tagen stellten sie fest: An sieben von acht Nestern ohne Zylinder hatten die Ameisen mit dem Wiederaufbau der Hügel begonnen – aber nur an zwei von acht Nestern mit Zylinder. 

Fazit

Zusammengenommen zeigen die Ergebnisse der Studie: Wenn keine Landmarken in der Nähe ihres Nests vorhanden sind, errichten Wüstenameisen einen hohen Hügel um dessen Eingang – und erleichtern mit dieser Orientierungshilfe Ausflüglerinnen auf dem Heimweg die Navigation. Und dabei geht es um mehr als um eine bloße Zeitersparnis: In den heißen und unwirtlichen Salzwüsten kann eine rasche Rückkehr zum Nest mitunter über Leben und Tod entscheiden.


Zur Fach-Publikation:
Freire, M.; Bollig, A. & Knaden, M. (2023): Absence of visual cues motivates desert ants to build their own landmarks. Current Biology 33.

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