Ameisengeruch schützt Schildläuse vor parasitischen Wespen

Schildläuse werden häufig von Ameisen besucht, die sich von ihren Ausscheidungen ernähren – und gleichzeitig die Feinde der Pflanzensauger abwehren. Eine aktuelle Studie zeigt: Bereits von den Ameisen zurückgelassene Geruchsstoffe reichen aus, damit parasitische Wespen Schildlauskolonien meiden.

von Niklas Kästner

Ameise, Schildläuse und parasitische Wespe
Eine Ameise, zwei Schildläuse und eine parasitische Wespe (Foto: Angel Plata)

Pflanzenläuse ernähren sich von Pflanzensaft. Wenn sie ihre Mundwerkzeuge in einen Stängel bohren, wird ein Teil der zuckerhaltigen Flüssigkeit als Folge des großen Drucks meist direkt durch die kleinen Insekten hindurchgepresst und als sogenannter Honigtau ausgeschieden. Dieser wiederum wird von verschiedenen Ameisenarten als Nahrung sehr geschätzt.

Die Arbeiterinnen eines Staates besuchen deshalb regelmäßig bestimmte Läusekolonien. Als Gegenleistung für das süße Mahl verteidigen sie die kleinen Pflanzensauger gegen Feinde. Laut einer aktuellen Studie profitieren die Läuse von ihrer „Ameisenarmee“ selbst dann, wenn diese gerade nicht anwesend ist: Parasitische Wespen erkennen am Geruch, ob Schildläuse kürzlich Ameisenbesuch hatten – und suchen in diesem Fall häufiger das Weite.

Der etwas andere Stich einer parasitischen Wespe

Der Stich der parasitischen Wespe Anagyrus vladimiri ist für eine Schildlaus tödlich. Allerdings gelangt dabei kein Gift in ihren Körper, sondern ein Ei. Die daraus schlüpfende Larve entwickelt sich im Inneren der Laus, was letztlich zu deren Tod führt. Nach der Verpuppung klettert die erwachsene Wespe aus ihrem toten Wirt – und ist bereit, sich zu paaren und selbst Eier zu legen.

Die Wespen stellen also eine erhebliche Gefahr für die Schildläuse da – weshalb sie von Menschen gezielt zur Bekämpfung der Pflanzensauger eingesetzt werden. Allerdings ist seit längerem bekannt, dass Ameisen die Wespen angreifen und deren „Erfolgsrate“ deutlich schmälern können. Ein Forschungsteam um Angelos Mouratidis und Alejandro Tena ging vor diesem Hintergrund der Frage nach, ob die Wespen Schildlauskolonien mit Ameisenschutz erkennen und meiden, auch wenn gerade keine Ameise vor Ort ist.

Parasitische Wespen meiden Schildlauskolonien, die Ameisenkontakt hatten

Die Forschenden entließen in einem Experiment A. vladimiri Wespen auf Kolonien der Zitrusschmierlaus (Planococcus citri). Einige von ihnen hatten sie zuvor von Ameisen der Art Lasius grandis besuchen lassen, andere nicht. Die Frage hinter diesem Experiment: Würde der vorherige Ameisenbesuch beeinflussen, wie sich die Wespen verhalten?

Das war der Fall: Zwar steuerten die Wespen Kolonien mit oder ohne Ameisenbesuch gleich häufig an – doch verließen sie erstere deutlich häufiger wieder. Darüber hinaus wurden in Schildlauskolonien, die vorher Kontakt zu Ameisen hatten, wesentlich weniger Tiere von den Wespen gestochen.

Parasitische Wespen meiden Geruchsstoffe von Ameisen

A. vladimiri Wespen erkennen also anscheinend, ob Schildläuse Besuch von Ameisen hatten. Wie gelingt ihnen das? Die Wissenschaftler*innen vermuteten, dass dafür Geruchsstoffe verantwortlich sind. Diese Hypothese überprüften sie in einem weiteren Experiment.

Sie ließen Ameisen über einen Steg laufen und extrahierten anschließend die zurückbleibenden chemischen Verbindungen. Diese gaben sie auf ein Filterpapier und präsentierten es einigen Wespen. Zum Vergleich gaben sie weiteren Wespen Filterpapier ohne Zusatz. Das Ergebnis: Die parasitischen Insekten verbrachten fast viermal so viel Zeit auf dem Papier ohne Ameisengeruch.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie zeigen: Schildläuse profitieren von ihrer „Ameisenarmee“ selbst dann, wenn diese gerade nicht vor Ort ist. Doch warum meiden die Wespen Kolonien mit Ameisengeruch, obwohl sie durch die Abwesenheit der Wächter akut nichts zu befürchten haben? Eine mögliche Erklärung ist, dass sie ihre Nachkommen schützen wollen: Legen sie ihre Eier bevorzugt in Kolonien ohne Ameisenkontakt, sinkt das Risiko, dass die Jungwespen sich direkt nach dem Schlüpfen mit wehrhaften Feinden auseinandersetzen müssen.


Zur Fach-Publikation:
Mouratidis, A.; Vacas, S.; Herrero, J.; Navarro-Llopis, V.; Dicke, M. & Tena, A. (2021): Parasitic wasps avoid ant-protected hemipteran hosts via the detection of ant cuticular hydrocarbons. Proceedings of the Royal Society B 288: 20201684.

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