Timing ist alles: Blauwale verlassen sich bei ihren Wanderungen auf die Wassertemperatur

Blauwale legen bei ihren jährlichen Wanderungen zwischen Paarungsgebieten und Nahrungsgründen oftmals tausende Kilometer zurück. Die Ergebnisse einer Langzeitstudie legen nahe, dass das Timing ihrer Wanderungen von der Wassertemperatur im Vorjahr abhängt.

von Tobias Zimmermann

Blauwale verlassen sich bei ihren Wanderungen auf die Wassertemperatur
Ein Blauwal (Foto: NOAA Photo Library via flickr, Lizenz: CC BY 2.0, zugeschnitten)

Blauwale (Balaenoptera musculus) bevorzugen im Jahresverlauf unterschiedliche Lebensräume. Die Paarungszeit im Winter verbringen sie in wärmeren Gewässern der gemäßigten und subtropischen Zone. Zum Sommer wandern sie in kühlere Gewässer, in denen sie mehr und reichhaltigere Nahrung vorfinden. Allerdings fällt das Nahrungsangebot auch dort von Jahr zu Jahr unterschiedlich aus. Um möglichst optimal von den angesteuerten Nahrungsquellen zu profitieren, gilt es für jedes Jahr das richtige Timing bei der Wanderung zu finden. Eine kürzlich veröffentlichte Langzeitstudie zeigt, dass Blauwale sich dabei auf die Wassertemperatur des Vorjahres verlassen: Die Meeressäuger erreichten die Nahrungsgründe früher, wenn es dort im Vorjahr kälter war – und sie folglich mit mehr Nahrung rechnen konnten.

Die Studie

Ein Forschungsteam um Angela Szesciorka und Peter Franks erforschte über zehn Jahre das Timing der Wanderung von Blauwalen. Die Wissenschaftler*innen ermittelten für die Jahre 2008 bis 2017, wann die Tiere an ihre Nahrungsgründe vor der südkalifornischen Küste zurückkehrten. Dafür nutzten sie fünf am Meeresboden installierte Unterwassermikrofone, mit denen sie die charakteristischen Rufe der Meeressäuger aufzeichneten. Anschließend untersuchten sie, wie sich die Wassertemperatur und das verfügbare Nahrungsangebot auf die Ankunftszeit der Meeressäuger auswirkte.

Die Ergebnisse

Den Großteil der Rufe fingen die Mikrofone in der Zeit zwischen Mai und November ein. Der konkrete Beginn der Rufe – und damit die Ankunft der Tiere – unterschied sich allerdings merklich zwischen den einzelnen Jahren. Wie kam es zu diesen zeitlichen Unterschieden?

Die Meeresoberflächentemperatur im Vorjahr spielten eine entscheidende Rolle: War das Wasser während ihres Aufenthalts in den Nahrungsgründen kälter, erreichten die Blauwale diese im folgenden Jahr erheblich früher. Doch weshalb kehrten die Tiere nach einem kalten Vorjahr früher in die Nahrungsgründe zurück? Dies erklärt sich durch die Auswirkung der Wassertemperatur auf den Krill – die Hauptnahrung von Blauwalen im Untersuchungsgebiet. Es zeigte sich: Je kälter die Gewässer des Nahrungsgebiets waren, desto mehr Krill befand sich darin im folgenden Jahr. Dies geht auf den Auftrieb kälterer – und somit nährstoffreicher – Wassermassen zurück, was letztlich die Vermehrung des Krills begünstigt.

Die Rolle des Krills als treibende Kraft wurde durch ein weiteres Ergebnis verdeutlicht: Je mehr Krill in den Nahrungsgründen vorzufinden war, desto früher im Jahr verzeichneten die Wissenschaftler*innen den Beginn der Blauwalrufe.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Blauwale anhand der Wassertemperatur in den sommerlichen Nahrungsgründen entscheidende Informationen über das Krillvorkommen im folgenden Jahr erhalten. Dadurch können sie offenbar ihre Ankunftszeit anpassen, um optimal vom Nahrungsangebot zu profitieren.


Zur Fach-Publikation:
Szesciorka, A. R.; Ballance, L. T.; Širović, A.; Rice, A.; Ohman, M. D.; Hildebrand, J. A. & Franks, P. J. S. (2020): Timing is everything: Drivers of interannual variability in blue whale migration. Scientific Reports 10: 7710.

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