Eine Frage des Stils: Erfahrungen im Jugendalter beeinflussen Vorlieben beim Nestbau

Geschmäcker sind verschieden – das gilt auch für Zebrafinken. Eine aktuelle Studie zeigt: Welche Materialfarbe die Vögel beim Bau ihres ersten Nests bevorzugen, hängt von ihren Erfahrungen im Jugendalter ab.

von Tobias Zimmermann

Nestbau bei Zebrafinken
Ein Zebrafink an der Nestbox (Foto: Alexis Breen)

Viele Vögel bauen Nester und schaffen damit einen geschützten Ort für die Aufzucht ihrer Nachkommen. Die Veranlagung zum arttypischen Nestbau ist angeboren – dennoch unterscheiden sich Tiere einer Art in ihrem konkreten Vorgehen. Eine aktuelle Studie an Zebrafinken (Taeniopygia guttata) zeigt, dass Erfahrungen im Jugendalter die Vorliebe für bestimmte Materialfarben beim ersten Nestbau beeinflussen.

Die Studie

Ein Forschungsteam um die Wissenschaftlerinnen Alexis Breen und Lauren Guillette untersuchte, ob sich die Vögel bei der Farbwahl für ihr eigenes Nest an dem der Eltern orientierten oder an Material, zu dem sie im Jugendalter Zugang hatten. Dazu wuchsen männliche Zebrafinken in Nestern auf, die ihre Eltern entweder aus pinken oder orangefarbenen Schnüren gebaut hatten. Nachdem sie flügge waren, lebten sie mit einem gleichaltrigen Männchen zusammen. Bei einem Teil der Vögel war zusätzlich ein erwachsenes Männchen anwesend, der andere Teil blieb unter sich.

In der jeweiligen Konstellation durften sie für vier Wochen regelmäßig Nistmaterial inspizieren. Dieses unterschied sich allein in seiner Farbe von dem des elterlichen Nests: Vögel aus einem orangefarbenen Nest hatten Zugang zu pinken Schnüren und Vögel aus einem pinken Nest zu orangefarbenen Schnüren. Als die Zebrafinken geschlechtsreif waren, beobachteten die Forscherinnen, welche Farbe sie beim Bau ihres ersten Nests bevorzugten. Dazu stellten sie ihnen zeitgleich Schnüre in verschiedenen Farben zur Auswahl: pinke und orangefarbene, die sie somit aus den früheren Lebensphasen kannten, sowie ungefärbte Schnüre als neutrale Variante. Welche Farbe würden die Zebrafinken für ihr eigenes Nest bevorzugen – die des elterlichen Nests oder die des Nistmaterials, das sie als Jugendliche inspizieren durften? Und spielte es eine Rolle, ob ein erwachsenes Männchen während der Jugendzeit als „Vorbild“ anwesend war?

Zebrafinken-Nester aus pinken oder orangefarbenen Schnüren (Foto: Alexis Breen)

Das Ergebnis

Wenn im Jugendalter ein Erwachsener anwesend war, präferierte kein Vogel beim ersten Nestbau Schnüre in der Farbe des elterlichen Nests. Stattdessen bauten 75 Prozent dieser Tiere ihre Nester bevorzugt in der Farbe des Materials, das sie als Heranwachsende inspizieren durften. Die übrigen Tiere favorisierten die Schnüre in der bis dahin unbekannten Farbe. Anders sah es aus, wenn die Vögel im Jugendalter nicht mit einem älteren Männchen zusammenlebten. Nur 14 Prozent dieser Tiere wählten bevorzugt Schnüre in der Farbe des Materials, zu dem sie in dieser Phase Zugang hatten. Die übrigen Vögel favorisierten zu gleichen Teilen entweder Schnüre in der Farbe des elterlichen Nests oder im neutralen Farbton.

Fazit

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Zugang zu Nistmaterial im Jungendalter die Vorlieben von Vögeln beim Bau ihres ersten Nestes beeinflussen. Dabei scheint die Anwesenheit von älteren Artgenossen allerdings eine erhebliche Bedeutung zu haben. Die konkrete Rolle der erwachsenen „Vorbilder“ bleibt bisher weitgehend unklar – und lässt sich möglicherweise in zukünftigen Studien genauer aufschlüsseln. 


Zur Fach-Publikation:
Breen, A. J.; Lovie, K. E.; Guerard, C; Edwards, S. C.; Cooper, J; Healy, S. D.; Guillette, L. M. (2020): Juvenile socio-ecological environment shapes material technology in nest-building birds. Behavioral Ecology 10:6302.

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