Das Leben auf den Kopf gestellt: Schwalben brüten in ihrem Überwinterungsgebiet

Fahlstirnschwalben brüten für gewöhnlich während der Sommermonate in Nordamerika und verbringen den Winter im Süden. Doch manche von ihnen haben die Fortpflanzung jüngst verlagert – in ihr eigentliches Überwinterungsgebiet in Argentinien.

von Niklas Kästner

Fahlstirnschwalben bauen ihre Schlammnester gern an Betonbrücken
Fahlstirnschwalben bauen ihre Schlammnester gern an Betonbrücken (Foto: Becky Matsubara via Flickr, Lizenz: CC BY 2.0, zugeschnitten)

Fahlstirnschwalben (Petrochelidon pyrrhonota) brüteten bisher während der Sommermonate in Nordamerika und zogen im Winter bis zu 8.000 km weit in den Süden. Doch manche der Vögel haben ihr Leben vor kurzem auf den Kopf gestellt: Sie ziehen ihre Jungen in Argentinien groß und verzichten dafür bei ihren Aufenthalten im Norden aufs Brüten.

Fahlstirnschwalben brüten in Argentinien

Im Jahr 2015 entdeckten Forschende im Überwinterungsgebiet der Fahlstirnschwalben in Argentinien unter einer Brücke erstmals eine Kolonie der Vögel, die dort erfolgreich brütete – ein Phänomen, das sich seitdem jährlich um den Jahreswechsel herum wiederholt. Die Tiere dieser Population haben also sowohl den Ort als auch den Zeitpunkt ihrer Fortpflanzung erheblich verlagert.

In den Jahren 2016 und 2018 gelang es einem Forschungsteam um Juan Areta und David Winkler, einzelne Vögel der Kolonie zu besendern. So konnten die Wissenschaftler*innen dauerhaft verfolgen, wo die Schwalben sich aufhielten. Das Ergebnis: Die Schwalben zogen außerhalb der neuen argentinischen Brutzeit wie gewohnt in den Norden – allerdings brütete keine von ihnen dort. Zudem flogen nur zwei von sechs Vögeln in das nordamerikanische Gebiet, aus dem sie vermutlich ursprünglich stammten. Die übrigen Vögel blieben weiter südlich: zwei zogen bis nach Mexiko und zwei sogar bloß bis nach Venezuela und Kolumbien.

Auf den Spuren der Rauchschwalben

Mit ihrem veränderten Lebenswandel begeben sich die Fahlstirnschwalben auf die Spuren einer anderen Schwalbenart: Einige amerikanische Rauchschwalben (Hirundo rustica erythrogaster) haben ihr Brutgeschäft ebenfalls aus Nordamerika in ihr ursprüngliches Überwinterungsgebiet in Argentinien verlagert – und das bereits vor 40 Jahren. Die Tiere dieser Population ziehen zwischen den Bruten zwar weiterhin in Richtung Norden, aber bleiben in Südamerika. Die Autor*innen der aktuellen Studie vermuten, dass sich auch das Zugverhalten der in Argentinien brütenden Fahlstirnschwalben langfristig entsprechend verändern wird – und die Flugstrecken der besenderten Tiere legen nahe, dass dieser Prozess bereits begonnen hat.

Fazit

Die in Argentinien brütenden Fahlstirnschwalben bieten den Forschenden die besondere Gelegenheit, die Umstellung des Brut- und Zugverhaltens einer Population nahezu von Beginn an zu verfolgen. Doch was hat die Vögel ursprünglich zum Wechsel ihres Lebenswandels gebracht?

Dazu äußern sich die Wissenschaftler*innen in einer älteren Veröffentlichung zu den Rauchschwalben: Die Vögel bauen ihre Schlammnester bevorzugt unter Betonbrücken – und deren Zahl hat im letzten Jahrhundert in Argentinien beträchtlich zugenommen. Möglicherweise erlaubte die gestiegene Verfügbarkeit von geeigneten Brutplätzen sowohl den Rauch- als auch den Fahlstirnschwalben, die Fortpflanzung in ihr ursprüngliches Überwinterungsgebiet zu verlegen.


Zur Fach-Publikation:
Areta, J. I.; Salvador, S. A.; Gandoy, F. A.; Bridge, E. S.; Gorleri, F. C.; Pegan, T. M. (…) & Winkler, D. W. (2021): Rapid adjustments of migration and life history in hemisphere-switching cliff swallows. Current Biology 31.

Weitere Literatur:
Winkler, D. W.; Gandoy, F. A.; Areta, J. I.; Iliff, M. J.; Rakhimberdiev, E.; Kardynal, K. J. & Hobson, K. A. (2021): Long-distance range expansion and rapid adjustment of migration in a newly established population of barn swallows breeding in Argentina. Current Biology 27: 1080-1084.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert